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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Königin-Maud-Landes. Es ist die Antarktis.
    Weddell hat sie nie gesehen, und jahrzehntelang glaubte ihm niemand, wie weit südwärts er gekommen war. Der blasierte Dumont d’Urville nannte ihn einen ordinären Robbenschläger, und tatsächlich starb der Mann, in dessen Buch ich »Beobachtungen über die Schifffahrt rings um Kap Hoorn«, »Beobachtungen zum Zustand der Pole« sowie »Beobachtungen zum Auffinden der Länge durch Chronometer« finde und die Sorgfalt seiner Karten von Ankerplätzen, Naturhäfen, Vorgebirgen und Zugängen zu Land bestaunen kann, verarmt als Untermieter einer Miss Rosanna Johnstone. Wir aber segeln durch sein Meer. Tagelang können wir Robben beobachten, die im Wasser spielen, sich windwärts auf den Eisschollen räkeln und nichts davon ahnen, dass sie nach diesem einen Herrn für alle Zeit Weddellrobben heißen.
    Am feierlich zum Greenstreet-Tag erklärten 15. Januar trennen uns noch 350 Kilometer von der Vahselbucht. Im Schatten der weißen Steilwand, unter der wir hindurchfahren, springen und tauchen Robben, schwimmen in unserer Gillung um die Wette und durchpflügen mit ihren Schnauzen das Wasser wie eine Schweineherde; aber sie folgen uns keinen Meter weiter südwärts, sondern ziehen alle in Richtung Norden davon. Die Abwanderung der Weddellrobben und Krabbenfresser ist ein sicheres Zeichen dafür, dass es Winter wird.
    Doch solange das Meer offen ist, segeln wir. Auch der folgende Tag ist ein besonderer. Der Sir erhält Gelegenheit, nicht nur einen Eisberg zu taufen, sondern einem neuentdeckten Streifen Land einen Namen zu geben. Zu Ehren desjenigen unter den Geldgebern seiner Expedition, der am tiefsten in die Tasche gegriffen hat, nennt Shackleton den Gletscher, der sich aus dem Hinterland bis zu der 600 Meter über dem Schiff in die Höhe ragenden Steilwand herabwälzt, Caird-Küste. Ihre Eisdecke wirkt öde und abweisend und ist von unüberbrückbaren Spalten durchzogen. Nirgends ist ein Stück Felsen zu sehen. Ganz anders die Bucht, zu der wir keine sechs Stunden später kommen. Ihr Eis fällt flach ins Wasser ab, und als wir beidrehen und uns die Maschinen dicht heranbringen, wird klar, weshalb in Brückennähe mit einem Mal Hektik herrscht. Die Höhe der Eiskante bietet eine vollkommene Anlandemöglichkeit, und auf dem flachen Eisfeld des Gletschers darüber ließe sich eine Basisstation errichten. Shackleton, Wild, Worsley und die Eisheiligen ziehen sich zur Beratung ins Ritz zurück. Sogar die Katze wird daraus verbannt. Worsley drückt sie mir an der Galleytür in die Arme. Nicht einmal Kaffee darf ich ihnen servieren.
    Angesichts der Distanz, die die transkontinentale Schlittenreise bewältigen muss, entscheidet Shackleton, es noch etwas weiter südlich zu versuchen. Falls wir vor der Vahselbucht auf Packeis treffen, wollen wir hierher zurückkommen. Worsley peilt die genaue Position: 76° 27‘ S, 28° 51‘ W. Sie bestätigt, dass wir innerhalb von 24 Stunden über 200 Kilometer zurückgelegt haben. Dann segeln wir ab.
    Am kommenden Morgen zieht aus nordöstlicher Richtung ein Sturm auf, der bis zum Mittag Orkanstärke erreicht. Vor seinem Schneetreiben und weil wir nicht wirklich vorankommen, suchen wir in der Lee eines gestrandeten Eisberges Schutz. Die ganze Nacht hindurch müssen Heizer und Männer auf der Brücke Schwerstarbeit leisten, um das Schiff hin und her zu manövrieren, der Rest der Crew schippt den Schnee von den Decks und kloppt das Eis ab, nur damit es sich in Minutenschnelle wieder über allem schließen kann.
    Zwei Tage lang dauert der Schneesturm und liegt die ENDURANCE versteckt hinter dem auf Grund gelaufenen Eisberg wie in der Kniekehle eines Riesen, der sich das Bein gebrochen hat. Als der Orkan abflaut und wir uns hinaustrauen, hat sich die Bucht in allen Richtungen, so weit man blicken kann, mit Packeis gefüllt. Da es nun egal ist, welchen Kurs wir nehmen, versuchen wir es weiter südwärts, wo ein dunkler Streifen am Himmel steht, ein Wasserhimmel, der eine breite offene Fahrrinne verspricht. Am Nachmittag des 18. Januar dringen wir erneut ins Eis ein. Und wir schaffen gigantische 18 Kilometer in sechs Tagen. Das Eis ist vollkommen anders beschaffen als alles, was uns bislang aufhielt. Die Schollen sind dick, weich, scheinen fast nur aus Schnee zu bestehen und heben und senken

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