Der Eisplanet
müssen sich daher in den Prinzipien unserer Philosophie auskennen. Garfield Talbot war ein großer Mann, und seine Ideen und Maßstäbe haben die Prüfungen der Geschichte bestanden. Es ist uns gelungen, Kapitän Hamilton, eine stabile, harmonische und weitgehend gewaltfreie Gesellschaft zu etablieren. Aber diese Harmonie beginnt, bedroht zu werden, bedroht durch Ihre bloße Existenz. Sie sind das Produkt einer gewalttätigen und selbstzerstörerischen Kultur und haben bedauerlicherweise gezeigt, daß Sie das Erbe der Gewalttätigkeit nicht zu überwinden vermögen. Das bestürzt und betrübt die meisten Minervier, doch gibt es einige unter ihnen, auf die diese Tatsache eine ungesunde Anziehungskraft ausübt. Darin liegt die Gefahr. Wir befürchten, daß Ihre Gewohnheiten und Ansichten – vielleicht ohne böse Absicht – einige unserer jüngeren Bürger nachteilig beeinflussen könnten. Verstehen Sie mich?«
»Ich denke schon. Sie haben erfahren, daß ich mich mit den Freunden der Straßen getroffen habe. Sie wittern eine Verschwörung.«
Harlen Zebrov zuckte die Schultern. »Das ist grob ausgedrückt. Ich würde es nicht so formulieren. Aber ich sehe, wir verstehen uns ... Berücksichtigen Sie folgendes. Für Tausende von Jahren waren Sie nur ein toter Körper im Wrack eines Raumschiffs. Wir Minervier gaben Ihnen das Leben zurück. Womöglich teilen Sie meine Auffassung, daß Sie ein wenig in unserer Schuld stehen.«
»Manfrius de Skun hat mich restauriert. Ihm schulde ich alles, was ich nun bin.«
»Manfrius de Skun ist tot, Kapitän Hamilton.«
»Dennoch. Und Sie standen ihm nicht die Anwendung der lebenserhaltenden Techniken zu, die er entwickelte. Stimmt das?«
»Wir schweifen ab. Dies ist eine Frage minervischer Politik – die Sie weder zu beurteilen vermögen noch stören dürfen. Ich vermute, daß Sie zivilisiert genug sind, um die Werte unserer Gesellschaft zu respektieren. Deshalb frage ich Sie, ob Sie zu der Erklärung bereit sind, daß Sie weitere Kontakte mit jenen jungen und fehlgeleiteten Leuten, die sich Freunde der Straßen nennen, unterlassen.«
»Ist es mir verboten, mich mit Leuten zu unterhalten, die ich in öffentlichen Fahrzeugen treffe?«
Harlen Zebrov lächelte. »Nein, wie Sie wissen – noch nicht. Doch ich glaube, wir haben uns auch diesmal verstanden. Es ist nicht empfehlenswert. Das ist alles.«
»Wenn das alles ist«, entgegnete Idris ruhig, »werde ich meine Freiheiten nutzen, bis man sie mir nimmt. Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme.«
Zebrov seufzte. »Ich hielt es für meine Pflicht, Sie zu warnen ... Sie wissen, daß die Gewaltkriminalität in den fünf Städten außerordentlich gering ist und wir keine Todesstrafe kennen. Aber bei ernsten Vergehen können wir eine Verbannungsstrafe verhängen. Sie sollten das beachten.«
»Verbannung? Wohin denn?«
»An die Oberfläche, Kapitän Hamilton. Wohin sonst? Niemand aus den fünf Städten lebte lange in dieser Verbannung. Es wäre tragisch, würden Sie der nächste Verbannte sein. Eine Vergeudung, nicht wahr? Eine Vergeudung Ihres zweiten Lebens und der vielen Jahre, die Dr. de Skun geopfert hat, um ein Hirn in einem Tank zur Vernunft zu bringen.«
Idris empfand mörderischen Zorn, und ihn verlangte danach, Harlen Zebrov in Fetzen zu zerreißen. Es kostete ihn große Anstrengung, sich zu beherrschen.
»Es war anständig von Ihnen, mich aufzuklären, Mr. Zebrov«, sagte er gelassen. »Ich werde über Ihre Worte eingehend nachdenken.«
»Wollen Sie die Zusicherung erteilen, um die ich Sie gebeten habe?«
»Gewähren Sie mir eine Bedenkzeit.«
»Zeit ist knapp, Kapitän Hamilton.«
Idris lächelte. »Das gilt für jeden.«
»Ist dir klar, wie er es wirklich gemeint hat, Idris?« fragte Mary, als Harlen Zebrov sich verabschiedet hatte.
»Ja, natürlich.«
»Ich liebe dich und möchte nicht, daß du dich in Gefahr begibst. Du hast mich soeben zu deiner Frau gemacht. Ich bin sehr glücklich darüber. Aber bitte ... bitte mache mich nicht zur Witwe.«
Er nahm sie in seine Arme und küßte sie. »Liebste, Liebste ... Für die Erde wollen wir tun, was wir können. Aber ich werde versuchen, dich nicht zur Witwe zu machen.«
»Ich weiß, ich bin selbstsüchtig.« Sie schluchzte. »Ich will dich, nur dich.«
»Dann sei tapfer, mein Liebling. Denn ich beabsichtige nicht, den Rest meines Lebens in diesem elenden Loch zu verbringen, das sich Minerva nennt.«
9.
Während der folgenden Tage vermied Idris jedes
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