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Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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was ja damit zusammenhängt! Mauritz erhob sich erregt. Manuela lachte: Nicht soviel Theater! Er wandte sich blitzschnell zu ihr um, auf seinem Gesicht wechselten Wut, Enttäuschung, Überraschung. Es war, als könnte er nicht begreifen, daß seine Schwester ihn kritisiert hatte, vielleicht sogar verspottet, und das mochte für ihn schlimmer sein. Ich spiele kein Theater! Demokratische Verhältnisse sind Arrangements zum maximalen gegenseitigen Nutzen der Mittelmäßigen. Denn Mittelmaß ist es, was die Demokratie erzeugt. Wie auch nicht. Schau dir den Glockenverlauf einer Gaußschen Kurve an. Ein für die Beschreibung von Lebensverhältnissen überhaupt sehr geeignetes statistisches Instrument. Ich schwieg. Die Tanzmusik war leiser geworden, auf den weißgedeckten Tischen zitterten die Windlichter, vom See her roch es nach Tang; am jenseitigen Ufer flimmerten die Lichter der Ausflugslokale. Vielleicht waren wir alle erschöpft vom Wortwechsel, von unvereinbaren Positionen, dem Drehen und Wenden grundsätzlicher Dinge. Manuela fröstelte. Ich möchte mal Kinder haben, sagte sie in die Stille hinein. Egal, was du davon hältst. Ich weiß, daß du mich nicht ganz ernst nimmst, Mauritz, Frauen denken mit dem Uterus, das hast du einmal fallenlassen mir gegenüber, und ich habe es nicht vergessen. Wennschon. Manchmal bin ich müde, manchmal, – Bin ich daran schuld? sagte Mauritz mit tonloser Stimme. Er stand auf und ging in Richtung See, ich sah, wie er mit den Schultern ruckte, mit der Hand in die Luft griff, wie um etwas ungeschehen zu machen, was nicht ungeschehen gemacht werden konnte, und obwohl ich mir selbst, innerlich, befremdet zusah, weil ich lieber bei den anderen geblieben wäre, weil ich spürte, daß ich eher zu ihnen als zu ihm gehörte, ich weiß es nicht,Herr Verteidiger, ich war durcheinander, manchmal tut man gerade das, wovon einem die innere Stimme abrät, aus purem Trotz oder Ehrgefühl oder vielleicht auch einem eitlen Bedürfnis nach Verkanntsein, obwohl ich mich in diesem Moment selbst nicht verstand, folgte ich Mauritz
    – alles schon dagewesen
    – ja, ich weiß, es ist alles schon dagewesen, Wiggo, kannst du dich an die Party bei deiner Schwester erinnern, da hast du mir denselben Vorwurf gemacht. Auch der ist also schon mal dagewesen ... Oh, ich sehe, du hast keinen Sinn für diese Art von Scherzen. Aber was besagt dieses: Es ist schon mal dagewesen? Wir müssen dennoch weitermachen und uns diese Fragen stellen. Sie hören nicht auf, unser Leben zu bestimmen, obwohl sie Generationen vor uns ebenso gestellt haben, und obwohl sie in das fürchterliche zwanzigste Jahrhundert gemündet sind! Alle diese Fragen: Was ist der Sinn des Lebens, gibt es Gott, was ist gut, was ist böse, Liebe, Hoffnung, Glaube undsoweiter ... sie müssen weiter gestellt werden, – So? unterbrach ich ihn, von uns, einer Horde Versprengter in einer Wüstenei aus Imbezillen, wie du selbst sagst? – Ja, so ist es. Wir müssen es tun. Es ist unsere Pflicht, die Fahne hochzuhalten. – Warum? – Weil es sonst keinen Sinn gibt, Wiggo! Wir sind dazu da, Sinn zu erschaffen! Und unsere Kraft ist es, dahin zu weisen und dorthin, und unsere Tragik, – Zu wissen, daß wir den anderen etwas vormachen? – Und wennschon! sagte Mauritz, blaß geworden. Theater ... Nennen wir es von mir aus Theater. Du hast die Lüge der Demokratie nicht begriffen, Wiggo. Sie besteht darin, daß sie glaubt, auf die Könige verzichten zu können. Dabei will sie genau dies: die Monarchie – die der Verhältnisse und die des Herzens, und wer es weiß, wird erfolgreich sein: Könige muß es geben, Päpste, Huren, den Hans im Glück, Dandys und bunte Vögel. DieDemokratie, lieber Wiggo, faltet heimlich die Hände und betet den an, der auf sie spuckt! – Aber woran kann ich dann glauben? Was kann ich hoffen, wenn es keine Veränderung gibt und niemals geben wird, wenn sich alles immer gleich bleibt, Kriege, Aufstieg und Fall der Reiche, und wir nur Episode, Utopia wird seinem Namen gerecht, Nirgendort ... Wir predigen den anderen ein besseres Leben – und glauben selbst nicht daran? – Bois ton sang, Beaumanaire, erwiderte Mauritz
    – ja, ich würde es tun, Wiggo, ja, ich würde es tun, ich würde töten für mein Ziel
    – das Reich Gottes wird kommen, mein Sohn, du bist nicht allein, warf der Bischof mit unterdrückter, aber vor Erregung umschlagender Stimme ein. Das ist die Heilsbotschaft: daß du, daß ihr, wir alle, aufgehoben sind bei Ihm,

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