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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Kontrolle hatte.
    Nicht zum ersten Mal seit ihrem Eintreffen wunderte sich Hippolit darüber, wie unbeeindruckt Jorge von der Ehrfurcht gebietenden Szenerie zu bleiben schien: dem mächtigen Thronsaal, groß wie ein Keulenball-Spielfeld, erleuchtet von kristallenen Lüstern mit Hunderten unterschiedlich gefärbten Glutglobuli; den unzähligen livrierten Pagen und Dienern, die sich im Halbschatten zwischen den Säulen rummelten und mit ihrer rosigen Gesichtshaut und dem makellos pomadierten Haar wirkten wie aus Marzipan geformt; und nicht zuletzt den Reihen breitschultriger Soldaten in der klassisch dunkelgrünen Rüstung der Nationalgarde Sdooms, die zur Bewegungslosigkeit erstarrt, ihre mehr als mannslangen Speere in unnatürlicher Parallelität in die Luft gereckt, beiderseits der Thronempore Spalier standen und die, wie man wusste, mit ihren Waffen einer Fliege noch im Flug Beine und Flügel zu amputieren vermochten – nebst möglicherweise weitaus filigraneren Organen.
    Doch all diese bemerkenswerten, selbst für Hippolit größtenteils neuen Eindrücke schienen an Jorge abzuperlen wie Regenwasser am Schuppenpanzer einer Drachenechse. Auch die nervöse Unruhe, die Hippolit befallen hatte, als Geheimrat K. am Ende ihres Gesprächs erwähnte, dass man die beiden im Fall der getöteten Elben ermittelnden Beamten zu einer geheimen Unterredung in den königlichen Palast bestellt habe, war dem Troll fremd. Nicht zum ersten Mal während ihrer zweijährigen Zusammenarbeit fühlte sich Hippolit daran erinnert, dass es außer Alkohol und fettreicher Nahrung (beides in großen Mengen) sowie gelenkigen, im Idealfall schmerzunempfindlichen Liebesdienerinnen wenig gab, was seinen Assistenten zu beeindrucken vermochte.
    »Wir sind von den aktuellen Geschehnissen in Foggats Pfuhl, gelinde gesagt, beunruhigt«, fuhr die Monarchin in einem wohlklingenden Timbre fort, das von ihrer krötengleichen Faltigkeit Lügen gestraft wurde.
    »Das kann ich gut verstehen, Majestät«, platzte Jorge heraus und nickte wie ein Idiot.
    Hippolit warf ihm einen vernichtenden Seitenblick zu, den der Troll gekonnt ignorierte. Als er wieder nach vorne sah, erkannte er zu seiner Überraschung, dass sich die Köpfe der beiden jungen Prinzen hinter dem königlichen Thron ebenfalls in betroffenem, zustimmendem Nicken hoben und senkten.
    Sein jugendlich blasses Gesicht verzog sich zu einer Maske des Unverständnisses. Was scherte es den Königshof, wenn in Foggats Pfuhl ein Geisteskranker umging, abgehalfterte Elbenjünglinge umbrachte und ihnen das Blut abzapfte? Verwirrt rekapitulierte er in Gedanken die knappe Einführung, die sie kaum eine Stunde zuvor von Geheimrat K. erhalten hatten.
    Mit dem jüngsten Leichenfund war die Zahl der Opfer auf fünf angewachsen – fünf Tote in weniger als zwei Zeniten. Bei allen hatte es sich um Elben gehandelt, alle hatten als Lustknaben ihren Lebensunterhalt verdient, und alle waren in dunklen, unbelebten Seitenstraßen der dunklen Meile gefunden worden.
    Was die Morde von den gängigen Verbrechen im sittenlosesten Viertel Nophelets unterschied, war zum einen der Umstand, dass die Körper der Opfer vollständig ausgeblutet gewesen waren. Zwar gab es auf dem umgebenden Pflaster Spuren getrockneten Blutes (was den Schluss zuließ, dass es sich beim Fundort mit hoher Wahrscheinlichkeit auch um den Tatort handelte), jedoch nicht genug, um das Fehlen jener vier bis fünf Krug zu erklären, die Elben, genau wie Menschen, üblicherweise in ihren Adern trugen.
    Die zweite Besonderheit bestand darin, dass nachweislich Thaumaturgie angewendet worden war. Die frische Signatur an jedem der Leichenfundorte belegte dies eindeutig. Allein dank der fragwürdigen deduktiven Fähigkeiten General Glaxikos und seiner Männer war bislang noch völlig unklar, welche Praktiken dort in finsterer Nacht ausgeübt worden waren, wozu und -natürlich – von wem.
    So rätselhaft die äußeren Umstände diese Mordserie machten, es handelte sich trotzdem nicht um den Stoff, aus dem Staatsaffären gestrickt waren. Hippolit hatte sich daher bereits über die Einladung an den königlichen Hof gewundert; noch weitaus mehr wunderte er sich, als am Ende einer überstürzten Droschkenfahrt klar wurde, dass es keineswegs Justizminister Arzembolus war, der die beiden Beamten dort erwartete – etwa um Abbitte für den unüberlegten Einsatz General Glaxikos zu leisten, wie Jorge ulkte. Stattdessen empfing sie Meister Arnolt, höchster Minister bei Hofe

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