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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Bewegung.
    Ein dürrer Echsenmensch hob einen Schallverstärker vor seinen lippenlosen Mund und begann – wie schon in der Stunde zuvor – zu den apokalyptischen Klängen unverständliche Zischlaute auszustoßen. Der Sänger hatte sein Gesicht schwarz angemalt und sich die Augen rot gefärbt. Vielleicht litt er auch an einer seltenen Krankheit, Jorge wusste es nicht.
    Die Eisenmusik war ganz nach Jorges Geschmack. Er lehnte sich zurück, steckte sich eine Uiskyzigarre in den Mund, zündete sie an, schloss die Augen und klopfte auf der Lehne seiner Holzbank gänzlich falsch den stakkatoartigen Takt mit.
    Eine über sieben Fuß große Trollin mit einem Gesicht wie aus Stein gemeißelt und absurd behaarten Oberarmen schob sich durch das Gedränge an seinen Tisch. Geschickt trug sie vier dunkelbraune tönerne Bierkrüge vor sich her. Jorge versuchte sie zu begrapschen (das gehörte hier zum guten Ton), aber die Bedienung drehte sich um, kaum dass sie abgeliefert hatte, und schlug seine Hand fort.
    Irgendwo in der Nähe zersprang eine Flasche, kreischendes Gelächter übertönte sogar die infernalische Musik der Kapelle. Urplötzlich prügelte sich ein junger Mann, dem ein Auge fehlte, mit einem Zwerg. Die beiden versperrten Jorge die Sicht auf die Bühne. Er stand auf und trennte die beiden Streithähne, indem er dem Zwerg eine saftige Kopfnuss verpasste und dem Mann mit Wucht zwischen die Beine trat. Zufrieden nahm er wieder Platz.
    Es versprach ein heiterer Abend zu werden.
    Um die dritte Morgenstunde herum – Jorge hatte mittlerweile etwa zwanzig Humpen Bier intus und fühlte sich ein wenig beschwipst – war die letzte Zugabe gespielt. Die Kapelle beendete ihr Konzert, indem der Echsenmensch sich seine Kleidung nebst einem Teil der Haut vom Leib pellte und beides ins Publikum warf. Jorge erhob sich von seiner Bank und klatschte wild Beifall.
    Ein Elb mit leuchtend grünen Augen kam an seinen Tisch. Er trug eine fleckige, sandfarbene Toga, auf seiner Oberlippe klebte der obligate gelbblonde Schnauzbart, wie ihn Angehörige seiner Rasse stets trugen, wenn sie sich bei der Ausübung ihres niederen Gewerbes auf das Bedienen männlicher Kunden spezialisiert hatten. Das dünne blonde Haar hing ihm wirr im Gesicht.
    »Gibst du mir einen aus?«, fragte er mit näselnder Stimme.
    Jorge konnte Krankheiten riechen. Er roch sie natürlich nicht auf dieselbe Weise, wie er zum Beispiel ein kross gebratenes Krügerschwein aus hundert Schritten Entfernung erschnuppern konnte. Vielmehr sah er seinem Gegenüber die Krankheit an der Nasenspitze an. Das Glühen in den Augen, das dünne Haar -ganz klar, der Elb litt an dem, was man im Pfuhl hinter vorgehaltener Hand »die Seuche« nannte.
    »Setz dich.« Jorge deutete auf den Platz gegenüber und schob dem Fremden einen noch fast vollen Bierkrug unter die Nase. Der Elb trank so gierig, dass die Hälfte auf seiner sandfarbenen Toga landete.
    »Wie heißt du?«, fragte Jorge. Der Elb sah auf. Sein Blick war leer und glasig, trotz des krankhaften Leuchtens.

»Vier Silberkaunaps, aber dafür bekommst du alles, was du dir wünschst«, sagte er mit Bierschaum auf dem Oberlippenbart.
    Jorge wog abschätzend den Kopf hin und her. »Langer Name. Ich nenn dich der Einfachheit halber ›Vier‹, wenns recht ist.«
    Jetzt starrte der Elb feindselig. »Blaak! Willst du mich veralbern, du Ungeheuer?«
    Jorge lächelte. »Vier Silberkaunaps? Bitte sehr, hier sind zehn.« Er langte in seine Lederkluft und warf zehn große silberne Münzen auf den Tisch. Der Elb starrte sie an, als könnten sie gleich wie ein altersschwacher Vulwoog explodieren.
    »Steck sie schnell ein, Vier, bevor jemand sie sieht und auf den verrückten Gedanken kommt, sie könnten ihm gehören. Weißt du, wir Trolle haben da ein Sprichwort, und es geht so …« Jorge fiel kein Sprichwort ein, also ließ er den Satz unvollendet in der verräucherten Luft der Wilden Meuchelmuse verpuffen.
    Der Elb griff mit einer hageren Hand, auf der blaue und violette Adern prangten, über den Tisch. Eine Sekunde später waren die Kaunaps in seiner Toga verschwunden.
    »Und jetzt?« Der Elb starrte Jorge misstrauisch an, der Blick von jemandem, der im Laufe seines Lebens gelernt hat, dass man niemals Geschenke ohne Gegenleistung erhält. »Sollen wir nach draußen gehen? Oder soll ich’s dir gleich hier unter dem Tisch besorgen?«
    Jorge trank einen Schluck Bier. »Gute Kapelle, was?«
    Der Elb starrte über unzählige Köpfe hinweg in Richtung

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