Der Elbenschlaechter
irritiert den Kopf.
»Du hast doch Freunde«, fuhr Jorge fort. »Die kommen bestimmt auch viel rum. Kennen sich hier aus. Sehen so manches.«
Der Blick des Elbs trübte sich wieder. »Meine Freunde sind alle tot.«
»Was du nicht sagst.« Noch immer verzog Jorge keine Miene. »Mir kommen gleich die Tränen, Vier. Woran sind sie gestorben?«
»Einige an der Seuche.« Die Stimme des Lustknaben war in dem Stimmenwirrwarr ringsum kaum noch zu verstehen. Er starrte in sein Glas. Plötzlich verzog sich sein Gesicht zu einer hässlichen Grimasse. »Und einer wurde von so einem Kerl … na ja, er wollte sich nicht so zur Verfügung stellen, wie es gewünscht wurde, und ein Messer in der Halsschlagader kann sehr ungesund sein.«
»Sehr ungesund«, stimmte Jorge zu. »Auch in jeder anderen Schlagader ist so ein Messer kein gern gesehener Gast. Ist offenbar nicht ungefährlich, als Elb des Nachts durch den Pfuhl zu spazieren?«
Es war das erste Mal, dass ihm der Elb direkt in die Augen sah.
»Natürlich weißt du von den Morden, nicht wahr, Vier? Ein Unbekannter zieht durch die Straßen und schlachtet euch ab wie Krügerschweine. Stimmt doch, oder?«
Der Elb schluckte heftig, und einen Moment lang befürchtete Jorge, sein Gegenüber würde in Tränen ausbrechen. Er hatte keinen Schimmer, was er dann tun sollte.
»Kennst du jemanden, der dem Elbenschlächter zum Opfer gefallen ist? ›Elbenschlächter‹ – so wird der Mörder doch von der Presse genannt.«
Das war ein Schuss ins Blaue, aber sofort erkannte Jorge, dass er einen Volltreffer gelandet hatte. Die Lustknaben von Foggats Pfuhl waren eng miteinander verbunden.
»Wie hieß dein Freund, Vier? Ich meine, der mit dem Messer in der Halsschlagader?«
»Wie er … oh, er hieß Zino. Selbst schuld, der Idiot.«
Jorge nickte. »Und dein Freund, den der Elbenschlächter geholt hat?«
Einen Moment lang sagte der Elb nichts, dann nuschelte er etwas.
»Wie? Ich kann dich nicht verstehen, Vier.«
»Leandro.«
Nicken. »Gut. Leandro. Das ist erst letzte Woche passiert, nicht wahr, Vier?«
»Ja.«
»Kanntest du Leandro gut?«
»Ja.«
»Ein guter Freund also?«
»Ja.«
Was für ein Glück! Innerlich jubelte Jorge, äußerlich ließ er sich nichts anmerken. Ein altes Trollsprichwort besagte: Glück ist großartig, aber behalt es für dich, sonst klaut es dir noch jemand.
»Und du gehst trotzdem nachts raus? Ziehst durch die Spelunken im Pfühl, bei Batardos, sprichst grobe Trolle in irgendwelchen Kneipen an, obwohl du weißt, dass irgendwo da draußen einer herumschleicht, der just hinter Jüngelchen wie dir her ist?«
Der Elb zuckte die Achseln, griff mit zitternden Fingern nach dem Bier. »In einer Schenke kann dir nichts passieren.«
»Wieso? Woher willst du wissen, dass ich nicht der Elbenschlächter bin?«
»Du hast doch gesagt, du wärst vom IAIT?«
»Vielleicht habe ich gelogen? Ich lüge oft.«
»Und macht dir das Spaß?«
»Was?«
»Das Lügen.«
Jetzt war es an Jorge, die Achseln zu zucken. »Schon. Wenns nötig ist.«
»Dann bleib dabei.« Als der Elb aufblickte, lächelte er zum ersten Mal. »Du bist nicht Leandros Mörder.«
»Und wenn ich behauptete, ich war s?«
»Du würdest lügen, wie es deine Passion ist.«
Jetzt musste auch Jorge lächeln. Er hatte es nicht mit Elben, wirklich nicht, aber dieser Bursche war clever.
»Was macht dich da so sicher, Vier?«
»Du lässt dich nicht im Vulwoog herumkutschieren.«
Jorge spürte, wie sich sein Herzschlag minimal beschleunigte. Er lehnte sich nach vorne und verschränkte seine mächtigen Pranken ineinander. »Woher willst du wissen, dass ich nicht Vulwoog fahre?«
»Das machen Trolle nur, wenns unbedingt sein muss. Ihr würdet stets eine Droschke bevorzugen, ein von Tieren gezogenes Gefährt ist eher nach eurem Geschmack. Abgesehen davon machen sich Trolle in der Regel nichts aus Elben.«
»Warum hast du mich dann angesprochen?«
»Ich wollte einen ausgegeben bekommen.« Jetzt grinste der Elb breit und zeigte zwei Reihen dentaler Ruinen.
Jorge lehnte sich über den Tisch. »Der Elbenschlächter fährt also in einem Vulwoog durch den Pfuhl?«
»So heißt es. Gerüchte in der Szene.«
»Erzähl mir von diesen Gerüchten, Vier.«
Der Elb zog die Augenbrauen hoch. »Deswegen bist du gekommen, nicht wahr? Dabei interessiert es doch kein Aas, was aus uns wird. Schon gar keinen Troll!«
»Mich interessiert es allein aus beruflichen Gründen.«
»Ich bin dir scheißegal.«
»Das
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