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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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geschlossenen Augen murmelte er: »Ich weiß. Ich bin der glücklichste Mensch in Nophelet.«

13
     
     
     
    Mit dem Cinotaksim, dem Fluss, der ihre Stadt seit Menschengedenken in zwei Hälften teilte, verband die Bürger Nophelets seit Generationen eine intensive Hassliebe. Einerseits verdankte die Stadt dem breiten, gut schiffbaren Strom eine exzellente Erreichbarkeit, die ihr bereits seit Zyklen militärische wie merkantile Vorteile verschaffte. Selbst von der vierhundert Meilen entfernten Küste des Grünen Ozeans konnte man die Verladedocks im Hafenviertel binnen weniger Tage erreichen, vorausgesetzt, man besaß einen schnellen Segler. Die Wasserstraße hatte Nophelet zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Güter aus allen Teilen des Reiches werden lassen, ein Verdienst, das die umtriebige Händlergilde gerne für sich reklamierte.
    Neben guter Verkehrsanbindung und wirtschaftlicher Bedeutung trug der Fluss der Hauptstadt jedoch auch noch etwas anderes ein.
    Auf seinem Weg durch die weit im Norden Sdooms gelegenen Torfgründe von Yaazon, ein urtümliches Territorium voller brodelnd heißer Quellen und vulkanischer Aktivität, nahmen die Wasser des Cinotaksim nicht nur eine brackig-schwarze Färbung an, sie wurden darüber hinaus mit etlichen fremdartigen Mineralien und Fäulnis erzeugenden Kleinstlebewesen angereichert, wie es sie in vergleichbarer Konzentration vermutlich in keinem anderen Gewässer Lorgonias gab.
    Im Winter, wenn die Fluten eisig, nahe dem Gefrierpunkt waren, störte dies nicht weiter; während dieser Zeit war der Fluss nicht mehr als ein breites, finsteres Band, das sich von Osten nach Westen quer durch das alte Stadtzentrum sowie fünf der scheinbar willkürlich auf der Landkarte verteilten krakenartigen Auswüchse Nophelets schlängelte. In besonders kalten Nächten führte er ein paar von schwarzen Einschlüssen durchsetzte Eisschollen mit sich, das war alles.
    In den heißen Sommermonaten dagegen stank der Fluss.
    Er stank schlimmer als die Kalkgruben, in denen man im Jahre 2441 des Ersten Zyklus schätzungsweise zwanzigtausend Opfer der Bengguela verscharrt hatte, eines extrem ansteckenden Nervenfiebers, das Nophelet seinerzeit um ein Haar entvölkert hätte. Es war ein Duft wie nach giftiger Galle, vermischt mit saurem Urin und Schwefel, und er vermochte einem ausgewachsenen Troll die Tränen in die Augen zu treiben. Passanten mit schwacher Konstitution verloren im Sommer in der Nähe des Flusses zuweilen gar die Besinnung. An schwülheißen Abenden erhoben sich Dunstschwaden von der Farbe krankhaften Stuhlgangs aus dem Wasser und vertrieben Mensch und Tier von den Uferpromenaden, zwangen die Anwohner in weitem Umkreis, trotz der drückenden Hitze sämtliche Fenster zu schließen und zu Lorgon zu beten, dass die Hitzewelle bald vorübergehen möge.
    Als Folge dieses unglücklichen Umstands – vielleicht, weil sie dachten, dass es ohnehin nicht mehr schlimmer werden könne – waren die Bürger Nophelets bereits vor Generationen dazu übergegangen, ihren Unrat im Cinotaksim zu entsorgen. Der Inhalt der weitläufigen Kanalisation wurde ebenso in die schwarzen Fluten geleitet wie häusliche Abfälle, Unrat aus Manufakturen und Fabriken sowie die Säuren und Laugen der Abdeckereien. So verwunderte es wenig, dass das Baden im Fluss schon vor Jahrhunderten verboten worden war und nicht einmal die Ältesten sich noch einer Zeit entsinnen konnten, da ein Angler einen lebenden Fisch aus dem Cinotaksim gezogen hätte.
    »Bei Batardos!«
    Obwohl Jorge noch mehr als vier Steinwürfe von der laternenerhellten Südpromenade entfernt war, die Nacht kühl und die Jahreszeit bereits eher herbstlich, stieg ihm dennoch bei jedem Atemzug eine schwer erträgliche Quantität Cinotaksim-Aroma in die breiten Nüstern.
    »Was für ein Gestank … wie verschimmelte Kotze!« Er verzog angewidert das Gesicht, dann warf er einen suchenden Blick in die Runde.
    Ein Stück voraus, wo die Kerzenziehergasse auf den Fluss traf, wölbte sich ein massiger Schemen in die Nacht wie der Rücken eines urzeitlichen Lebewesens: die Klagebrücke. Unzählige Geschichten rankten sich um diesen steinernen Koloss aus der Gründerzeit Nophelets, denn nahezu unter jedem Regenten hatten sich dort geschichtlich relevante, zumeist auffallend tragische Ereignisse abgespielt – sei es der Suizid des jungen Prinzen Awwat-At, der sich gegen Ende des Zweiten Zyklus aus Gram über die unerwiderte Liebe zu einem seiner Kammerdiener in

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