Der Elbenschlaechter
diese Weise auf einem öffentlichen Platz im Zentrum der Stadt zubringen, gut sichtbar für alle, tagsüber schutzlos Vogelschmutz, faulem Obst sowie der für Vampyre extrem schmerzhaften Sonnenstrahlung ausgeliefert, bei Nacht den Schmähungen und Anfeindungen durch seine eigene Sippe. All dies brachte einen Vampyr nicht um, trotzdem wurde die Strafe unter den Bluttrinkern panisch gefürchtet, nicht zuletzt wegen der Pein, die mit einer dreißigtägigen Hungerperiode verbunden war. Als Folge hatte das Kreuz seit seiner Einführung erst ein halbes Dutzend mal verhängt werden müssen.
»Dreißig Tage und Nächte am Kreuz«, wiederholte Jorge. »Sofern dir nichts Schlimmeres droht, du eitriger Pickel auf Blaaks stinkender Kehrseite!«
Der Vampyr sah auf. Er weinte nicht mehr. Hass funkelte jetzt in den Tiefen seiner fast schwarzen Augen. »Halt s Maul!«, zischte er. »Du bist doch ein Troll, oder?« Er stieß ein abgehacktes Lachen aus. »Trolle finde ich zum Kotzen.«
»Was du nicht sagst, Blutsauger. Das geht mir aber wirklich sehr zu Herzen! Jetzt spuck s schon aus, was hast du hier verloren? Vielleicht habe ich hier in meiner Tasche eine hübsche rostige Kneifzange, und es würde mir eine diebische Freude bereiten, sie an deiner hässlichen Schnauze zum Einsatz zu bringen?«
Der Vampyr zog die Lippen über seine abgebrochenen Zahnstümpfe zurück, die Mutation eines Lächelns.
»Wie heißt du?«, fragte Jorge.
»Leck mich!«
Jorge sprang auf, packte den Arm des Vampyrs und drehte ihn mit einem geübten Ruck aus der Gelenkpfanne. Knochen knirschten. Der Vampyr jaulte hell auf.
Körperliche Züchtigung wurde beim IAIT nicht gern gesehen, zumindest, wenn sie Spuren hinterließ. Jorge war das egal.
Dieser Bastard sollte bloß nicht glauben, er hätte die Kontrolle über die Situation!
Er packte den anderen Arm, begann auch ihn zu verdrehen. Tränen liefen dem Vampyr aus den Augen, gleichzeitig kicherte er atemlos. Offenbar ein harter Brocken.
»Zum letzten Mal: Wer ist der Fettsack? Und was hast du mit ihm angestellt?«
Der Vampyr schüttelte hilflos den Kopf. »Keine Ahnung, wer das ist! Irgendein Gast des Barons. Ich hab ihn nicht nach seinem Namen gefragt.«
»Wie bist du hier reingekommen?«
»Hab mich eingeschlichen.«
»Um einen Menschen auszusaugen! Gib es zu, du wolltest einen Menschen töten!« Jorge ließ den Arm des Blutsaugers los. »So ist es doch, nicht wahr?«
Das Gesicht des Vampyrs entspannte sich etwas. Er schüttelte den Kopf. »Ich bin wegen der Schmerzen gekommen.«
Jorge verdrehte die Augen. »Natürlich, die Schmerzen. Du bist ein armer Vampyr, der rein zufällig in diese Gesellschaft gestolpert ist und …«
»Du hörst mir nicht zu, Troll! Ich bin ganz und gar nicht zufällig hier. Ich komme wegen der Schmerzen.«
Jorge kauerte sich wieder vor dem Burschen auf den Boden. Noch immer hämmerte sein Herz wie verrückt in seinem Brustkorb.
»Wegen der Schmerzen also«, wiederholte er. »Tut mir leid, aber anscheinend bin ich heute etwas schwer von Begriff.«
»Das elende Zodiuc-Programm!«
»Das elende Zodiuc-Programm?«
Nicken. »Ich vertrage die verfluchten Pilze nicht. Eine allergische Reaktion. Bekomme Erstickungsanfälle, wenn ich sie kaue. Und du weißt, was das bedeutet?«
Jorge wusste es, spätestens, seit Meister Arnolt es ihm zwei Tage zuvor am Königshof wieder ins Gedächtnis gerufen hatte: Die Wirkstoffe des Zodiuc-Pilzes bewirkten, dass sich Vampyre von tierischem Blut ernähren konnten, ohne die unvorstellbaren körperlichen Qualen erleiden zu müssen, die ihnen der Konsum nichtmenschlichen Lebenssaftes normalerweise verursachte.
»Du verträgst die Pilze nicht?«, vergewisserte sich Jorge.
Der Vampyr verzog das Gesicht, eine widerwärtige Maske des Selbstmitleids. »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchmache! Tagein, tagaus … es ist, als würdest du von innen heraus aufgefressen. Also habe ich mich hier eingeschlichen. Bin mit dem Fettsack einen Handel eingegangen. Er war schon voll auf Sternhöh, als ich ihn traf. Wollte es so richtig besorgt bekommen, wollte mich hinterher sogar dafür entlohnen. Ich lach mich tot -der Kerl steht auf Schmerzen. Er wollte gebissen werden, verstehst du?«
Jorge nickte. »Also noch mal von vorne, alles der Reihe nach, zum Mitschreiben. Wie heißt du?«
Der Vampyr senkte den Kopf, so dass ihm das Haar in die Augen fiel. »Mein Name ist Loczak.«
»Was für ein Scheißname«, sagte Jorge. »Weiter, Loczak. Wie
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