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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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auf die Seite.
    Jorge hob abermals die Faust, schlug erneut zu. Der Kopf des Scheusals flog nach hinten. Wie ein Sack Kartoffeln sank es in sich zusammen.
    »Aufhören!«, vernahm Jorge eine überraschend hohe Stimme.
    Das Scheusal hatte gesprochen.
    Aber Jorge dachte gar nicht daran aufzuhören. Es gab ein altes Trollsprichwort, das besagte: Solange dein Gegner noch Worte artikulieren kann, stellt er eine Gefahr dar.
    Er trat dem Kerl mit voller Kraft gegen die nackte, weiße Brust, auf der sich zwei schwärzlich schimmernde Brustwarzen verloren. Die Haut des Scheusals war voller dunkler Leberflecke. Es stieß ein ächzendes Geräusch aus, hob ergeben eine Hand.
    Verdammt, warum blutete der Kerl eigentlich nicht?
    Jorge starrte seine eigene, noch immer geballte Faust an. Blut rann ihm über den Arm, weiße Knochensplitter hatten sich tief in die Haut über seinen Fingerknöcheln gegraben. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass es sich gar nicht um Knochensplitter handelte.
    Es waren Zähne, die in seinem Fleisch steckten – spitze, raubtierartige Zähne!
    »Blaak! Was geht hier eigentlich ab?«, brüllte er.
    Das Scheusal rappelte sich hoch, hielt in einer schützenden Geste die Hände vor die Brust. »Nicht mehr«, wimmerte es. Das lange Haar hing ihm wirr ins Gesicht. »Bitte, hören Sie auf!«
    Plötzlich fiel es Jorge wie Schuppen von den Augen: Das Scheusal war ein Vampyr, das erklärte die Reißzähne in seiner Hand. Logisch, dass der Kerl nicht blutete!
    Das Gesicht des Vampyrs sah schlaff und eingefallen aus. Der Umstand, dass Jorge die Gesamtheit seiner vierundsechzig Dolchzähne mit seinen beiden Schlägen erheblich reduziert hatte, machte den Anblick nicht weniger entsetzlich.
    Der Fettsack hatte sich in seinem eigenen Sud wie ein Embryo zusammengerollt, hielt sich den verletzten Schritt und wimmerte wie ein Kleinkind, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hatte.
    Jorge warf die schwarze Tür hinter sich ins Schloss.
    »In Ordnung!«, rief er und baute sich vor dem zurückweichenden Vampyr auf. »Was, bei Batardos, ziehst du hier ab, Kleiner?«
    Der Vampyr stolperte rücklings gegen die Wand, verfing sich in einem der violetten Tücher, die in einem unfühlbaren Luftzug raschelten.
    »Tun Sie mir nicht mehr weh! Bitte, tun Sie mir nicht mehr weh …«
    Vampyre waren, spätestens seit ihrem staatlich verordneten Umzug ins Flatulgetto, für ihre selbstmitleidige Art bekannt. Für gewöhnlich bewahrten sie sich jedoch einen gewissen Rest an Selbstachtung, und normalerweise sahen sie auch nicht so ausgezehrt aus. Das Zodiuc-Programm sorgte dafür, dass man einen Vampyr, wenn man ihm bei Nacht auf der Straße begegnete, kaum von einem Normalsterblichen unterscheiden konnte – es sei denn, er öffnete den Mund und präsentierte seine vierundsechzig exakt gleich großen Reißzähne.
    Also doch, dachte Jorge. Haben die verfluchten Pressefritzen ausnahmsweise mal recht gehabt: Der Elbenschlächter ist ein Vampyr!
    Das Adrenalin brachte das Blut in seinen Ohren zum Rauschen, so dass er kaum in der Lage war, die Geschehnisse der letzten Minuten in eine sinnvolle Ordnung zu bringen. Er fragte sich, wo Hippolit abgeblieben war. Wahrscheinlich frönte er irgendwo der körperlichen Lust, schließlich hatte er im anonymen Treiben der Maskierten zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Gelegenheit dazu. Jorge konnte es ihm nicht verübeln, auch wenn das bedeutete, dass er sich allein um diese Angelegenheit kümmern musste.
    Mit seiner blutenden Hand deutete er auf den Fetten. »Wer ist das da? Und was hast du mit ihm gemacht, Scheusal?«
    Der Vampyr sackte an der Wand in die Hocke, vergrub sein Gesicht in den Händen und fing an zu heulen. Jorge kniete sich vor ihm hin.
    »Hör zu, Kleiner«, sagte er in sanftem Tonfall. »Ganz egal, was geschehen ist, ich würde diese Nummer ganz schnell sein lassen, sonst sehe ich mich gezwungen …«, plötzlich schrie er wieder, »… DIR DIE F RESSE ZU POLIEREN , DU BLÖDES A RSCHLOCH ! DU WEISST GANZ GENAU , WAS DICH ERWARTET , WENN DU EINEN M ENSCHEN ANZAPFST ! D REISSIG T AGE AM K REUZ !«
    Das Kreuz war eine drakonische Strafe, von Königin Lislott höchstpersönlich ins Leben gerufen: Verstieß ein Angehöriger der Vampyrrasse gegen die Auflagen des Zodiuc-Programms und verging sich entgegen den Vereinbarungen an einem Menschen, wurde er verhaftet und mit Händen und Füßen an ein zehn Fuß hohes Holzkreuz genagelt. Dreißig Tage und Nächte musste der Delinquent auf

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