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Der Elefant verschwindet

Titel: Der Elefant verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Dann müsse man wieder alles neu anschaffen. Die Einzigen, die davon profitierten, seien die Hersteller der medizinischen Geräte – diese Art von Gespräch. Hin und wieder bekundete ich meine Zustimmung, aber ich hörte kaum zu.
    Als mein Mann gegangen war, faltete ich die Zeitung zusammen und brachte die Sofakissen durch Klopfen wieder in ihre alte Form. Ich lehnte mich an den Fensterrahmen und blickte durchs Zimmer. Was war los? Warum wurde ich nicht müde? Früher hatte ich öfters die Nächte durchgemacht, aber so lange war ich noch nie wach geblieben. Normalerweise wäre ich schon viel früher eingeschlafen, oder zumindest wäre ich todmüde. Doch ich spürte nicht die geringste Müdigkeit, und mein Kopf war absolut klar. Ich ging in die Küche und trank einen aufgewärmten Kaffee. Ich überlegte, was ich machen sollte. Natürlich wollte ich »Anna Karenina« weiterlesen. Zugleich aber wollte ich wie gewöhnlich zum Schwimmen gehen. Nach einigem Hin und Her entschied ich mich fürs Schwimmen. Es ist schwer zu erklären, aber ich wollte etwas aus meinem Körper ausstoßen, indem ich ihn bis zum Exzess trieb. Ausstoßen . Was will ich eigentlich ausstoßen? Ich dachte darüber nach. Was will ich ausstoßen ?
    Ich wusste es nicht.
    Doch dieses Etwas schwebte wie eine Möglichkeit undeutlich in meinem Körper. Ich wollte es benennen, aber mir kam kein Wort dafür in den Sinn. Worte zu finden ist nicht meine Stärke. Tolstoi hätte bestimmt genau das richtige Wort gefunden.
    Ich packte jedenfalls wie immer meinen Badeanzug in die Tasche, stieg in den City und fuhr zum Sportclub. Im Schwimmbad war niemand, den ich kannte. Nur ein junger Mann und eine etwas ältere Frau waren im Becken. Ein Bademeister betrachtete gelangweilt die Wasseroberfläche.
    Ich zog meinen Badeanzug an, setzte die Schwimmbrille auf und schwamm wie gewöhnlich dreißig Minuten. Aber dreißig Minuten waren nicht genug. Ich schwamm noch mal fünfzehn Minuten. Zum Schluss kraulte ich noch mit voller Kraft zwei Bahnen. Ich war außer Atem, aber mein Körper schien noch immer vor Energie zu schäumen. Als ich aus dem Schwimmbad stieg, starrten mir die anderen nach.
    Da es noch vor drei war, fuhr ich mit dem Auto zur Bank und erledigte meine Sachen. Ich überlegte, ob ich noch beim Supermarkt vorbeifahren und den Einkauf machen sollte, aber ich ließ es sein und fuhr nach Hause zurück. Dort nahm ich mir wieder »Anna Karenina« vor und aß die restliche Schokolade. Als um vier mein Sohn nach Hause kam, gab ich ihm ein Glas Saft und etwas selbstgemachte Obstgrütze. Dann begann ich mit den Vorbereitungen fürs Abendessen. Zuerst nahm ich das Fleisch aus dem Tiefkühlfach, taute es auf, schnitt das Gemüse und legte alles zum Fritieren bereit. Danach kochte ich Miso-Suppe und Reis. Alle Arbeiten verrichtete ich schnell und effizient.
    Dann las ich wieder weiter in »Anna Karenina«.
    Ich war nicht müde.
    4
    Um zehn ging ich zusammen mit meinem Mann ins Bett. Ich tat, als wolle ich schlafen. Mein Mann schlief sofort ein, fast im selben Moment, in dem er die Lampe am Kopfende gelöscht hatte. Als wären der Schalter der Lampe und sein Bewusstsein durch ein Kabel verbunden.
    Bewundernswert, dachte ich. Leute wie er sind selten. Die meisten Leute leiden darunter, nicht schlafen zu können. Mein Vater zum Beispiel. Mein Vater hatte immer darüber geklagt, nicht richtig tief schlafen zu können. Er hatte nicht nur Schwierigkeiten mit dem Einschlafen, sondern wachte auch bei dem kleinsten Geräusch oder irgendeiner Veränderung auf.
    Nicht so mein Mann. Wenn er einmal schläft, ist er bis zum nächsten Morgen durch nichts mehr wachzukriegen. Als wir gerade frisch verheiratet waren, fand ich das sehr interessant. Ich machte Experimente, um herauszubekommen, wie man ihn wecken könnte. Ich tröpfelte mit einer Spritze Wasser auf sein Gesicht und kitzelte seine Nasenspitze mit einem Pinsel. Aber nie wachte er auf. Machte ich hartnäckig weiter, grunzte er nur ungemütlich. Mein Mann träumte auch nicht. Zumindest erinnerte er sich nie an seine Träume. Er war natürlich auch noch nie in Trance gewesen. Er schlief tief und fest wie eine im Schlamm vergrabene Schildkröte.
    Bewundernswert. Nachdem ich zehn Minuten gelegen hatte, stand ich leise auf. Ich ging ins Wohnzimmer, knipste die Stehlampe an und goss mir ein Glas Cognac ein. Ich setzte mich aufs Sofa und las mein Buch, während ich den Cognac in kleinen Schlucken über meine Zunge gleiten ließ. Wenn mir

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