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Der Elefanten-Tempel

Der Elefanten-Tempel

Titel: Der Elefanten-Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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seiner Jeans ganz aus der Nähe.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er und blickte sie forschend an.
    Ricarda nickte. Ungläubig sah sie, dass er an ihr vorbei weiter nach unten kletterte.
    »Was tust du?«, schrie Ricarda.
    »Helfen«, kam es zurück, dann sprang Nuan federnd wie eine Katze zu Boden. Mit heftig klopfendem Herzen beobachtete Ricarda, wie er scheinbargelassen neben Kaeo und Seven stand; gemeinsam warteten die Mahouts auf eine günstige Gelegenheit, dem Bullen neue Ketten anzulegen. Devi hatte sich ein Stück zurückgezogen, und Khanom stampfte mit erhobenem Rüssel und weit ausgebreiteten Ohren in der Nähe des Baumes herum.
    Kaeo redete seinem Elefanten gut zu und schaffte es mit akrobatischem Geschick, eins von Khanoms säulendicken Hinterbeinen zu sichern.
    Wütend knallte Khanom den Rüssel auf den Boden und stieß gleichzeitig Luft aus, es klang wie ein Donnerschlag. Dann schwang er den Rüssel und schlug nach Nuan, doch der wich geschickt aus und schaffte es, auch um Khanoms Vorderfuß eine Kette zu schlingen.
    Jetzt erst wandte sich Kaeo Ricarda zu, die noch immer auf dem Baum hockte. Er schaffte sogar ein Lächeln. »Seine alte Kette ist gerissen«, rief er erklärend zu ihr hoch.
    »Ja, das habe ich gemerkt.« Ricarda fühlte sich immer noch etwas zittrig.
    »Er ist ein sehr starker Elefant. Wollte nur ein bisschen herumwandern.«
    Nur ein bisschen herumwandern? War Kaeo noch ganz richtig im Kopf? Konnte er nicht zugeben, dass eben um ein Haar etwas Schlimmes passiert wäre? Ricarda begann mit dem Abstieg von ihrem Baum. Die letzten zwei Meter musste sie springen, sie schaffte es längst nicht so elegant wie Nuan und ihre Fußknöchel schmerzten von dem Aufprall.
    »Leider hat er dein Los aufgespießt«, sagte Ricarda und deutete auf den Rest, der an Khanoms Stoßzahn flatterte. »Das wollte ich dir eigentlich schenken.«
    Dass sein Los hinüber war, schien Kaeo fast mehr zu bekümmern als die Tatsache, dass Ricarda beinahe Matsch gewesen wäre. Es gelang ihm, das Ding mit einem Stock von Khanoms Stoßzahn zu pflücken, dann versuchte er es wieder zusammenzusetzen. Erst als er sah, dass die ganze Mitte der Losnummer nicht mehr zu lesen war, gab er den Versuch auf und warf das Stück Papier verdrossen in den Matsch. Die anderen Mahouts , die sich fachsimpelnd um Khanom scharten, beobachteten es interessiert.
    Ein einziger Mahout schenkte dem Los keine Beachtung. Nuan.
    »Danke«, sagte Ricarda zu ihm, es war ein einfaches Wort und reichte doch völlig aus. Sie musste daran denken, wie sie sich an seiner Hand hochgezogen hatte. Trocken und fest und kräftig hatte sie sich angefühlt, diese Hand.
    »Du kletterst gar nicht so schlecht«, sagte Nuan und plötzlich lächelte er. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte.
    Auf einmal wusste Ricarda, dass sie jetzt mit ihm sprechen konnte, ganz leicht würde es sein, denn sie waren sich nicht mehr fremd. Sie ging auf ihn zu und fühlte ein Echo seines Lächelns auf ihren Lippen.
    »Mensch, Rica!« Jemand kam von der Seite, dann schlangen sich Arme um sie, Sofias Arme. »Gut, dassdu auf den Baum geklettert bist. Ich hatte solche Angst um dich. Dieses Mistvieh!«
    Ricarda erwiderte die Umarmung, fühlte Tränen in ihre Augen steigen. Sie schüttelte den Kopf, doch ihr fiel nichts ein, was sie antworten konnte. Es tat so gut, von Sofia umarmt zu werden. Wie schön, dass sie sich so viele Sorgen gemacht hatte – und einen Moment lang war alles wie früher. Doch ganz konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Ihr Blick suchte Nuan, fand ihn nicht, wohin war er auf einmal verschwunden? Moment mal, natürlich zu Devi. Ricarda schluckte die plötzliche Trauer hinunter und löste sich von Sofia. »Jetzt hätte ich fast vergessen mich bei Devi zu bedanken«, sagte sie hastig, kletterte die Treppe zum Haupthaus hoch und holte alle frischen Früchte, die sie finden konnte. Als Dankeschön kam nur das Beste vom Besten infrage.
    Nuan schmierte eine ölige dunkelgrüne Salbe auf den Riss an Devis Schulter und sprach dabei leise mit ihr. Devi trat unruhig von einem riesigen Fuß auf den anderen, doch als Ricarda sich näherte, hob sie erwartungsvoll den Rüssel.
    »Ist ihre Wunde schlimm?«, fragte Ricarda, streichelte Devi über die riesige Stirn und reichte ihr eine Mango. Sofort wickelte die Elefantin ihren Rüssel um die Frucht und beförderte sie in ihr Maul.
    Nuan schüttelte den Kopf. »Nein, Devi ist bloß furchtbar wehleidig. Sie tut so, als sei sie tödlich

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