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Der Elefanten-Tempel

Der Elefanten-Tempel

Titel: Der Elefanten-Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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könnte?«
    »Manches, vieles«, erwiderte er nachdenklich. »Möglich, dass wir es herausfinden können.«
    Wir hatte er gesagt. Ricarda bekam eine Gänsehaut vor Freude. »Aber … haben wir denn die Zeit? Musst du denn nicht weiter … nach Norden oder wohin auch immer? Weg von hier?«
    »Ja. Aber vielleicht noch nicht jetzt.« Er zögerte; fast wirkte es, als warte er auf etwas.
    »Das wäre schön«, sagte Ricarda, versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.
    So fühlte sich also eine ganze Wagenladung Glück an. Gestern noch war ihre Liebe ein Ding der Vergangenheit gewesen, schon bald nur noch eine kleine wehmütige Erinnerung und ein paar kostbare Schnappschüsse. Jetzt hatte sie auf einmal Zukunft, auch wenn es vielleicht nur ein paar Tage waren. Jeder Tag, nein, jede Stunde, jede Minute, zählte. Und jetztwollte sie vor allem eins, mehr über Nuan erfahren. »Warst du mal Mönch in so einem Tempel?«
    »Ja, ich war elf Jahre alt«, berichtete er. »Mein Onkel war todkrank und ich sollte in den Tempel, um ihm zu helfen. Verstorbene können sich an der Robe von Mönchen festhalten, um ins Jenseits zu gelangen, weißt du. Ich war schrecklich aufgeregt bei der buat phra , der Weihe. Aber im Tempel war es dann eher langweilig, weil es dort keinen Unterricht gab.«
    Ricarda war erstaunt über den auf einmal so gesprächigen Nuan; im Refuge war er so schweigsam gewesen, so verschlossen. Er vertraut mir, und mir allein, ging es ihr durch den Kopf, und das war ein atemberaubender Gedanke. Außerdem berührte es Ricarda, sich den sonst so beherrschten Nuan als aufgeregtes Kind vorzustellen. Sie musste an Tao denken, der sicher gerade tief und fest schlief. »Es gab keinen Unterricht? Das ist schade. Bestimmt hätten dir die Mönche viel beibringen können.«
    »In manchen Tempeln gibt es Unterricht, nur leider nicht in diesem. Machte nichts, ich habe trotzdem von ihnen gelernt.« Seine Stimme verwob sich mit dem Rascheln der Blätter und den Geräuschen der Nacht. »Aber ich habe Devi sehr vermisst und ich hatte oft Hunger, das war nicht so gut. Nach zwölf Uhr mittags darf man als Mönch ja nichts mehr essen. Zum Glück durfte ich dann wenigstens noch Milch trinken.«
    War es wirklich erst einen Tag her, dass sie Abschiedgenommen hatten, dass er zum ersten Mal ihren Namen genannt hatte? Und jetzt redeten sie. Redeten wirklich. Es war aufregend neu, und doch fühlte es sich vertraut und richtig an, mit ihm zusammen zu sein. Und das war gut so, denn sonst hätte sie bestimmt keine der zwei Dutzend Fragen herausbekommen, die danach drängten, endlich ausgesprochen zu werden.
    »Was macht eigentlich deine Mutter, kümmert sie sich auch um Elefanten wie dein Vater?«
    »Nein, das ist bei uns Sache der Männer. Meine Mutter ist Seidenweberin. Sie macht noch alles selbst und ist stolz darauf, dass die Stoffe viel schöner werden als die aus der Fabrik. Und das Geld, das sie damit verdient, ist wichtig für uns.«
    Ricarda spürte, wie sie unsicher wurde. Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sie an der Wange kitzelte. »Im Refuge arbeiten aber auch Mädchen und Frauen mit den Elefanten … zum Beispiel Chanida… oder, äh, ich. Findest du das komisch?«
    »Ja«, sagte er. »Ein bisschen schon. Chanida … na ja … sie ist kein richtiger Mahout . Für sie ist es nur ein Spiel und sie hat zu viele andere Dinge im Kopf. Ziemlich oft vergisst sie Mae Jai Dis Füße zu kontrollieren.«
    Oh, dachte Ricarda. In solchen Momenten war es, als erhelle ein Blitzlicht einen dunklen Raum, in dem seltsame, fremdartige Dinge standen, in dem sich Gestalten bewegten, die sie nicht kannte. Und ihrwurde bewusst, wie fremd ihr die Welt war, in der Nuan lebte. »Für mich ist es auch nur ein Spiel«, meinte sie verlegen. »Eins, das nur zwei Wochen dauert.«
    Ricarda erschrak über den Klang ihrer Worte. Nein, das war nicht die Wahrheit! Es war mehr geworden als das. Etwas, das in ihr noch lange nachhallen würde. Durch Nuan, aber nicht nur.
    »Das tut mir leid«, antwortete Nuan steif und Ricarda rätselte, was er damit meinte. Tat es ihm leid, dass sie die Dinge so sah? Oder dass sie nur zwei Wochen blieb? Und wieso hatte sie überhaupt so etwas Dämliches von sich gegeben? Wieso hatte sie nicht gesagt, was es ihr in Wirklichkeit bedeutete, hier in Thailand, bei den Elefanten zu sein? Vielleicht weil sie hatte beweisen wollen, dass sie selbstkritisch war – im Gegensatz zu Chanida.
    Nuan schwieg. Und auf einmal

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