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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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wuchs im Nu üppiger und vielfältiger. Der Boden war inzwischen so gesättigt, dass die Entwässerungskanäle zum Gerbach schon wieder Wasser führten. Unzählige Schnaken stürzten sich auf sie und plagten sie, Samuel nahm sie gern in Kauf.
    Als sie zur üblichen Zeit zum Mittagessen auf den Hof zurückkehrten, konnte die Amme vor Samuel nicht mehr länger verheimlichen, dass es Jakob sehr schlecht ging. Die vergangenen Tage, so stellte sich heraus, hatte sie offensichtlich gelogen. Der Kleine wollte sich partout nicht an ihre Milch gewöhnen und brach weiter. Inzwischen wachte er allerdings kaum noch auf. Und wenn sie oder Sarah ihn kitzelten und rüttelten, hatte der kleine rote Mund keine Kraft und wahrscheinlich auch keine Lust mehr, das in sich hineinzusaugen, was ihm Minuten später Bauchkrämpfe und Übelkeit bereitete. Die Fromme hatte augenscheinlich auch keine großen Ambitionen mehr. Ihr Bündel lag bereits gepackt neben der Haustür. Jacob Egly, ihr Cousin, diesen Verwandtschaftsgrad ein letztes Mal ausdrücklich zu betonen, vergaß sie trotz allem Kummer nicht, würde sie in einer Stunde mit der Kutsche abholen. Was er dann auch tat.
    Zunächst hörte Charlotte das Klopfen an der Tür nicht, so leise war es. Außerdem konzentrierte sie sich darauf zu verhindern, dass die vier Frösche, die sie im Bach gefangen und in einen Topf gesperrt hatte, entkamen. Sie war gerade dabei, ein zappelndes Exemplar hochzuheben, als sich die Tür öffnete, ohne dass Charlotte Herein gerufen hätte. Ein Bauernlümmel, strohblond, mit Waden wie Säulen in der Kirche und nicht unhübsch, der ihr auch irgendwie bekannt vorkam, trat zögerlich ein, verbeugte sich mehrmals, wagte aber keinen Schritt mehr nach vorne. In der Hand zerknautschte er den Rand seines Hutes. Der Hut, natürlich! Zu denen gehörte er also.
    »Ja?«
    »Entschuldigung, bitte vielmals um Entschuldigung.«
    »Wie heißt du denn?«
    »Uri.«
    Charlotte sah belustigt zu, wie der Adamsapfel des Jungen hüpfte, während der Rest von ihm stocksteif dastand.
    »Uri… hübsch. Und was willst du, Uri?«
    Uri verfluchte seine Arme und Hände, die an ihm baumelten, und wusste nicht, wohin damit. Bevor er aber eine Antwort aus sich heraus quälen konnte, schrie Charlotte schrill auf:
    »Jetzt ist auch der zweite weg, verdammt, schnell, vielleicht erwischen wir ihn noch unter dem Sessel dort.«
    Gebieterisch winkte sie Uri herbei, kroch aber gleich selbst auf dem Boden herum. Uri, der keine Ahnung hatte, wer verschwunden war, sah tatsächlich etwas Grünbraunes, Plumpes in einer Ecke hüpfen, machte einen Satz und fing es mühelos mit einer Hand.
    Charlotte klatschte wie ein Kind auf dem Jahrmarkt, ließ sich aber sofort den Frosch aushändigen. Uri hatte bis dahin nicht geahnt, dass Frösche bei den Leuten in der Welt so begehrt waren.
    »Komm, ich zeig dir was!«
    Wieder spurte Uri auf ihren Wink und stellte sich stumm, verwirrt, aber mit einem unendlichen Glücksgefühl, das bis in seine Ohren vibrierte, neben das, was sie ihm als ihre Elektrisiermaschine bezeichnete, und sah zu, wie sie wie eine Besessene auf ein Pedal eintrat.
    »Du und ich machen jetzt ein Experiment«, sagte Charlotte mit entschiedener Stimme und ließ ihre Ankündigung in ein gurgelndes Lachen auströpfeln.
    »Ein Experiment«, echote Uri und hatte nicht die geringste Ahnung, was damit gemeint sein sollte.
    »Halt jetzt gefälligst den Frosch«, Charlotte trat noch etwas schneller und fixierte Uri beschwörend. »Aber unter keinen Umständen los lassen, hörst du!«
    Uri nickte heftig und hätte das auch zweifelsohne getan, wenn sie von ihm verlangt hätte, ein Kruzifix zu küssen. Der Frosch in seinen Händen zappelte ein wenig, fühlte sich aber kühl und weich an wie die Schweinedärme am Schlachttag, sodass Uri sich wunderte, warum sie annehmen könnte, er würde ihn loslassen.
    Er schaute auf ihren Mund, aus dem in einem fort die abenteuerlichsten Sätze purzelten, auf ihren Hals und dann immer mehr auf die Stelle, wo ihr Hals in ihre Brust überging und sich diese deutlich aus ihrem Ausschnitt heraus quellend zweiteilte und rundete. Versunken in diesen Anblick bemerkte er nicht, dass Charlotte einen Stab zuerst an ihre Maschine und dann gleich an eines der langen Hinterbeine des Frosches hielt.
    Uri schrie auf, trippelte ein paar Mal auf der Stelle, aber ließ tatsächlich den Frosch nicht fallen.
    »Wunderbar, sehr gut. Du bist der geborene Assistent.«
    Uri nahm dieses Kompliment

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