Der elektrische Mönch
tut mir leid, wenn ich ... Sie vorhin beunruhigt habe, es war nur ein leichter Anfall. Diese Dinge passieren, mein Lieber, regen Sie sich deswegen nicht auf. Du meine Güte, ich habe schon merkwürdigere Dinge erlebt. Viele. Viel merkwürdigere. Es ist ja bloß ein Pferd, du lieber Gott. Später gehe ich rauf und lasse es raus. Machen Sie sich bitte keine Sorgen. Und nun bringen wir unsere Lebensgeister mit etwas Port wieder in Schwung.«
»Aber ... wie ist es da reingekommen?«
»Na, das Badezimmerfenster steht offen. Wahrscheinlich ist es da hereingekommen.«
Richard sah ihn, nicht zum erstenmal und sicher nicht zum letztenmal, mit Augen an, die vor Argwohn sehr schmal waren.
»Sie machen es mit Absicht, nicht wahr?« fragte er.
»Ich mache was, mein lieber Freund?«
»Ich glaube nicht, daß ein Pferd in Ihrem Badezimmer steht«, sagte Richard plötzlich. »Ich weiß nicht, was dort ist, ich weiß nicht, was Sie hier treiben, ich weiß nicht, was ich von dem ganzen Abend halten soll, aber ich glaube nicht, daß in Ihrem Badezimmer ein Pferd steht.« Er wischte alle weiteren Proteste Regs beiseite und ging nach oben.
Das Badezimmer war nicht groß.
Die Wände waren mit altem eichenen Faltwerk getäfelt, das angesichts des Alters und der Eigenart des Gebäudes höchstwahrscheinlich unbezahlbar war, dagegen waren die Armaturen sachlich und durchschnittlich.
Es lag altes, abgetretenes, schwarzweiß gewürfeltes Linoleum auf dem Fußboden, eine kleine primitive Badewanne stand da, schön sauber, aber mit sehr alten Flecken und angeschlagenen Stellen in der Emaille, dazu ein kleines, primitives Waschbecken mit Zahnbürste und Zahnpaste in einem puralex-Becher neben den Hähnen. Auf das wahrscheinlich unbezahlbare Paneel war über dem Waschbecken ein rnetallenes Badezimmerschränkchen mit Spiegelfront geschraubt. Es sah aus, als sei es schon viele Male überstrichen worden, und der Spiegel war an den Rändern von der Kondensfeuchtigkeit fleckig geworden. Über der Toilette hing ein altmodischer gußeiserner Wasserkasten mit Kette. Ein alter cremefarben angestrichener Schrank stand in der Ecke, daneben ein alter, brauner Wiener Cafehausstuhl, auf dem ein paar säuberlich zusammengefaltete, aber fadenscheinige kleine Handtücher lagen. Außerdem stand ein großes Pferd in dem Raum und nahm den größten Teil davon ein.
Richard starrte es an, und es starrte irgendwie taxierend zu ihm zurück. Richard schwankte leicht. Das Pferd stand völlig unbeweglich. Nach einer Weile blickte es zu dem Schrank hinüber. Es schien, wenn nicht zufrieden, so doch sich zumindest völlig damit abgefunden zu haben, daß es da stand, wo es stand, bis es woanders hingestellt würde. Es schien auch ... ja, wie erschien es?
Es badete im Licht des Mondscheins, der durch das Fenster fiel. Das Fenster war offen, aber klein und obendrein im zweiten Stock, weshalb die Vorstellung, das Pferd sei auf diesem Wege hereingekommen, absolut bizarr war.
Irgendwas war seltsam an dem Pferd, aber er konnte nicht sagen, was. Schön, eins war natürlich wirklich sehr seltsam daran, und das war, daß es in einem College-Badezimmer stand. Vielleicht war das auch alles.
Er streckte recht zaghaft die Hand aus, um dem Wesen den Hals zu tätscheln. Es fühlte sich normal an - fest, glatt, in guter Verfassung. Die Wirkung des Mondlichts auf seinem Fell war ein bißchen verwirrend, aber alles sieht bei Mondlicht etwas merkwürdig aus. Das Pferd schüttelte leicht die Mähne, als er es berührte, schien aber sonst nicht allzuviel dagegen zu haben.
Nachdem Richard es so erfolgreich getätschelt hatte, streichelte er es ein paarmal und kraulte es sanft unter dem Maul. Dann sah er, daß in der anderen Ecke noch eine zweite Tür in das Badezimmer führte. Er ging vorsichtig um das Pferd herum und näherte sich der Tür. Er trat rückwärts an sie heran und stieß sie zaghaft auf.
Sie führte in das Schlafzimmer des Professors, einen kleinen, mit Büchern und Schuhen und einem schmalen Bett vollgestopften Raum. Auch dieses Zimmer hatte noch eine zweite Tür, die wieder auf den Treppenabsatz hinausging.
Richard bemerkte, daß der Boden des Treppenabsatzes, wie bereits die Treppe, frisch abgetreten und zerkratzt war, und diese Kerben bestärkten ihn in der Idee, daß das Pferd irgendwie die Treppe hinaufgeschoben worden war. Er hätte es sehr ungern selber tun müssen, und noch weniger gern wäre er das Pferd gewesen und hätte es mit
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