Der endlose Tod
konnte mir nicht helfen, ich dachte, dass Mutters Zustand nicht schlimmer wurde, sondern dass sie bloß weniger gehemmt in den Ausdrücken ihrer gelegentlichen Unverschämtheiten wurde. Es wurde nur noch schlimmer, wenn solche Ausdrücke in Zweifel gezogen wurden.
»Sie werden nun jeden Augenblick hier sein, da bin ich sicher.«
»Sie?«, fragte Vater.
»Sie sagte, dass sie nicht alleine reisen würde, da dies viel zu gefährlich ist. Ich nehme an, dass sie einige Bedienstete bei sich hat. Die anderen Kusinen haben sich entschieden, in der Stadt zu bleiben.«
Gott sei Dank für Seine Gnade, dachte ich.
»Ich möchte nicht, dass sie denkt, wir seien ein Stamm unzivilisierter Wilder. Alles muss fertig sein für ihre Ankunft, einschließlich dessen, dass wir von diesen Soldaten befreit sind.« Sie drückte es aus, als seien diese nicht bedrohlicher als ein Wespennest an einer ungünstigen Stelle, das ausgeräuchert werden musste. »Ich möchte nicht, dass sie umherlaufen und so tun, als ob ihnen dieser Ort gehört. Was würden die Leute denken?«
»Bei einer Frau mit einer solch starken Sorge um die Meinung der anderen, könnte man annehmen, dass sie eine ebensolche Rücksicht auf diejenige ihrer eigenen Familie nehmen würde«, teilte ich später Elizabeth im Vertrauen mit, als alle gegangen waren.
»Oh, zum Kuckuck damit, Jonathan. Die Frau nimmt auf niemanden Rücksicht außer auf sich selbst.« Elizabeth saß in ihrem Lieblingssessel in der Nähe des Sofas. Sie hatte irgendwo ein Stück Schnur gefunden und spielte nun ohne Pause damit, indem sie es um ihre Finger wand und dann wieder glättete.
»Die Frau?«
Elizabeth hielt inne und rieb sich müde den Nacken. »Ich sage ›Mutter‹ zu ihr, wenn ich mit ihr spreche, aber erwarte nicht von mir, auch im Privaten nur einen Schein von Zuneigung zu bewahren. Sie ist für mich keine Mutter, abgesehen von der Tatsache, dass ich einige Monate in ihrer Gebärmutter gelebt habe, bevor ich ihr endlich entkommen konnte.«
»Großer Gott!«
»Es gibt keinen Grund, so schockiert zu sein, kleiner Bruder, denn hattest du nicht die gleichen Gedanken? Ich weiß, dass du sie hattest.«
»Vielleicht nicht ganz so grob ausgedrückt...«
»Ich weiß, und es tut mir Leid, aber diese Frau ärgert mich. Würde mich eine Fremde auf der Straße so behandeln wie sie, wollte ich mit ihr nichts mehr zu tun haben, aber wir müssen uns Tag für Tag für Tag damit abfinden, und für den armen Vater ist es noch viel schrecklicher.«
Sie zog die Schnur fest um ihren Finger zusammen, wodurch der unverzierte Rest ihres Fleisches durch die Einschnürung ganz rot wurde.
»Zumindest hat er etwas Trost bei Mrs. Montagu gefunden. Ich glaube, dies ist der Grund, dass er so früh ein Kartenspiel vorgeschlagen hat.«
»Ja, um die abendliche Qual hinter sich zu bringen, damit er endlich gehen kann. Ich bin froh, dass er Mrs. Montagu hat; sie muss ihm einen beträchtlichen Trost bedeuten. Ich wünschte, sie könnte stattdessen unsere Mutter sein. Auf gewisse Weise war sie es auch in all den Jahren, in denen diese Frau fern von uns lebte. Aber sie ist Vaters Trost, nicht unserer. Ich wünschte, ich könnte einen für mich selbst finden.« Sie löste die Schnur von ihrem Finger und untersuchte die Einkerbungen, die diese in ihrem Fleisch hinterlassen hatten.
»Was meinst du? Dir einen Liebhaber nehmen?« Den letzten Teil des Satzes flüsterte ich.
»Mir einen ...« Ihr Unterkiefer klappte nach unten. »Himmel, Jonathan, natürlich nicht. Was denkst du nur?«
Mein Gesicht wurde heiß vor Beschämung: »Das ist das Problem, ich habe nicht gedacht. Bitte vergib mir.«
Sie dachte eine Weile darüber nach. »Dazu besteht kein Grund. Ich verstehe, wie du darauf gekommen bist, und wäre ich diese Art von Frau, würde ich es mir überlegen. Aber da ich es nicht bin, werde ich dies nicht tun.«
»Aber Mrs. Montagu ist eine vollkommen respektable Frau«, protestierte ich.
»Mit eigenen Mitteln und ihrem eigenen Haus, Dinge, die mir versagt sind. Was hast du dir diesmal gedacht?«
»Wenn ich das beantworten würde, würde ich mich wiederholen«, meinte ich niedergeschlagen.
Sie lachte wieder, worauf ich gehofft hatte, aber sie wurde schnell wieder ernst. »Es ist einfach nicht gerecht. Männer können allen Arten von interessanten Beschäftigungen nachgehen, aber Frauen müssen sich damit zufrieden geben, Kinder zu bekommen und den Haushalt zu führen und das zu tun, was andere Leute ihnen
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