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Der endlose Tod

Der endlose Tod

Titel: Der endlose Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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meine. Wir hatten dies bereits bei verschiedenen anderen Gelegenheiten erprobt und dabei die raffinierte Fertigkeit von Bühnendarstellern erworben. Niemand bemerkte es. In die Schale für die Reste wanderte der Teesatz aus seiner Tasse, welche ich dann umgekehrt auf die Untertasse stellte. Den Löffel legte ich obenauf. So war ich in der Lage, ein Nachschenken abzulehnen, ohne unhöflich zu sein. Als Gastgeberin war es für Elizabeth ein Gebot der Höflichkeit, darauf zu achten, dass meine Tasse stets gefüllt war, und da Mutter sie ständig beobachtete, wagte sie es nicht, mich zu »übersehen«.
    Aber heute Abend konnte selbst Mutter keinen Fehler an ihr entdecken, da der größte Teil ihrer Aufmerksamkeit von ihren Gästen und Kusine Anne in Anspruch genommen wurde.
    Diese war allerdings in der Tat beachtenswert.
    Tatsächlich trug sie die auffallenden Fonteyn-Züge, mit blauen Augen und schwarzem Haar – obwohl ich mit Elizabeths Bericht vorlieb nehmen musste, dass es schwarz war, denn nun war es gepudert und weit aus ihrer milchweißen Stirn gekämmt, sowie kunstvoll im Nacken gekräuselt. Ihre Bewegungen waren formvollendet und voller Grazie, zweifellos sowohl Teil als auch Last der vornehmen Manieren, wie sie in Philadelphia praktiziert wurden. Sie trug ein herrliches Kleid aus einem gestreiften Material, das bei jeder ihrer Bewegungen raschelte und viele begeisterte Komplimente auf sich zog. Sie sog diese so bereitwillig in sich auf, wie eine Katze Gefallen an Sahne findet. Anne war jung und schön und genoss es, daran erinnert zu werden.
    »Ja, glücklicherweise konnte ich die meisten meiner Sachen mitbringen«, sagte sie zu der Menge, die sich um sie versammelt hatte. »Es gab viele, viele andere, die nichts hatten als die Kleidung, die sie am Leibe trugen, aber andererseits hatten die sich auch nicht auf einen Exodus vorbereitet, verstehen Sie.«
    »Und Sie waren dazu seit dem frühen Herbst bereit gewesen?«, fragte Vater, der von ihr ebenso angetan schien wie die anderen Herren.
    »Seit dem Sommer, Vetter Samuel. Wir hatten eine schreckliche Zeit, obwohl wir fertig waren. Gott sei Dank sind Sie und Marie hier so überaus freundlich; sonst hätte ich nicht gewusst, was ich tun sollte.«
    »Du bist sehr willkommen in meinem Haus«, sagte Mutter, wobei ihr Gesicht ein wenig bröckelte, als sie eines ihrer angespannten Lächeln aufblitzen ließ. Es erreichte nicht ihre Augen, aber andererseits erreichte kein Lächeln jemals ihre Augen, »Also hast du meine Antwort auf deinen Brief erhalten?«
    »Tatsächlich habe ich das nicht, aber in diesen Tagen ist alles in einer solchen Verwirrung.«
    Hier stimmte Mutter Kusine Anne von ganzem Herzen zu.
    »Aber mit oder ohne eine Antwort von dir musste ich abreisen oder aber mit dem Rest der wahren Untertanen des Königs leiden. Ich wusste, wenn ich bliebe, hätte ich keinen Frieden in dieser traurigen Stadt, da die Rebellen in höchstem Maße schrecklich sind. Wer weiß, was mir zugestoßen wäre?«
    »Nun, du bist sicher eingetroffen und kannst all das hinter dir lassen«, meinte Mutter.
    »Wenn ich kann! Es war eine schreckliche Zeit. Und so verwirrend.«
    Anne bekam viel Mitgefühl von ihren Zuhörern, die sie baten, noch weitere Einzelheiten über ihre Flucht zu erzählen. Es dauerte eine Weile, sie alle abzuhandeln, aber schließlich fasste sie das gesamte Geschehen als »schrecklich« und »verwirrend« zusammen.
    »Wäre ich ganz allein gewesen, weiß ich nicht, was ich hätte tun sollen«, fuhr sie fort. »Vetter Roger meinte, dass ich bleiben sollte, aber ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Außer dem«, sie schlug die Augen nieder und zog die Brauen hoch »bin ich auch nicht ganz sicher, wo er steht, was ... gewisse Angelegenheiten betrifft. Politische Angelegenheiten.«
    »Sie meinen, seine Sympathien liegen bei den Rebellen?«
    »Darum geht es ja, ich weiß es einfach nicht. Er drückte sich nicht eindeutig aus, weder auf die eine noch auf die andere Weise. Er ist so verwirrend. Niemals gibt er eine richtige Antwort tut alles mit einem Lachen ab oder wechselt das Thema. Es is schrecklich.«
    »Wir können nur hoffen, dass er sich entscheidet, bevor beide Seiten es sich in den Kopf setzen, ihn zu erhängen«, meinte der große Mann, der neben Anne stand.
    Seine leichthin gemachte Bemerkung schockierte Mutter, aber jeder Tadel, den sie vielleicht für ihn übrig gehabt hätte, blieb unausgesprochen. Der Mann war niemand Geringeres als Lord James

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