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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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verstorbenen Professors der Sapienza abkaufte. Die Bücher sollten einem jeden zeigen, wie gebildet wir waren. Mit unserem Haushalt wollte sie der Imperia nacheifern, von deren Erscheinung die Kurialen trunken waren und von deren Zimmern es hieß, einmal sei ein Edelmann von dem Glanz so geblendet gewesen, daß er einem Bediensteten ins Gesicht spuckte, weil er keine andere Stelle für dieses Bedürfnis entdeckte.
    Meine Mutter machte ein öffentliches Geheimnis um mich und Lydia und lud zunehmend hohe Herren zu Nachmittagsgesellschaften ein. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Angebote gemacht wurden, aber meine Mutter gedachte ihrer eigenen Anfänge und steigerte mit vornehmer Zurückhaltung den Preis, bis ein betagter Kardinal, der noch einmal die Vögel singen hören wollte, meiner Mutter eine unerhörte Summe für mich bot.«
    Claudia hielt mit ihrer Erzählung inne und blickte Jakob lange an. Er sah die Tränen in ihren Augen, die sie vergeblich zu unterdrücken suchte.
    »Ich hätte nie gedacht, daß meine Mutter mich wirklich verkaufen würde, noch dazu an einen alten Mann. Sie hatte Schulden bei Chigi gemacht und brauchte dringend Geld. Mit allerletzten Ratschlägen entließ sie mich auf den Weg zu meinem Liebhaber; ihre Zofe begleitete mich und trocknete mir die Tränen, bevor wir an dem Palazzo klopften. Der Kardinal empfing mich strahlend und führte mich in einen herrlichen Raum, wo es Süßigkeiten zu naschen gab und klebrigen Wein, ehe er mich aufforderte, für ihn zu tanzen und zu singen. Ach ja, er war nicht grob und schlief zufrieden ein, nachdem er sich an mir vergnügt hatte.
    Ich wurde die Geliebte des alten Kardinals Soderini. Meine Mutter war glücklich und blühte auf in ihrem Bemühen, mich noch geschickter in all meinen Künsten zu machen, bis sie außer solchen Ratschlägen keine Worte mehr für mich hatte. Über das Schicksal gemeiner Huren belehrte sie mich mit Lust und Witz, als wäre sie der göttliche Pietro Aretino: ›Man dreht und wendet uns und schiebt uns hin und her auf alle erdenklichen Arten bei Tage und bei Nacht; und wenn eine nicht in alle Schweinereien einwilligt, die sich nur ausdenken lassen, so muß sie im Elend umkommen. Der eine verlangt Kochfleisch, der andere Braten. Was haben sie nicht alles ersonnen: von hinten; die Beine um den Hals, die Gianetta; Kranich; Schildkröte; Kirche auf dem Glockenturm; die Eilpost; auf Schafsart und andere Stellungen, die seltsamer sind als die Stellungen eines Gauklers.‹ So gewann ich eine hervorragende Ruffiana, verlor aber meine Mutter.«
    Claudia trocknete ihre Tränen und erzählte, was sich all die Jahre zugetragen hatte, wie sie zu einer gefeierten Cortigiana aufgestiegen war, bis sie an Angelo del Bufalo geriet, der ihr beinahe genauso wie der Imperia zum Schicksal wurde. Des weiteren erzählte sie vom langsamen Aufstieg ihrer Schwester und litt noch einmal mit ihrer Mutter, als diese von der Syphilis zerfressen und niedergestreckt wurde. Die beiden Schwestern pflegten ihre Mutter zu Hause in einem separat gelegenen Raum; sie wollten ihrer Mutter das Spital San Giacomo degli Incurabili ersparen, von dem alle berichteten, es sei das Fegefeuer der Huren, wo sie alle ihre Sünden büßen müßten. Jämmerlich war ihre Mutter zugrunde gegangen; der Medicus flößte ihr zum Schluß Unmengen Quecksilber ein, doch es half alles nichts; sie verlor am ganzen Körper ihre Haare und starb zusammengekrümmt und nackt wie ein Säugling.
    Beim Tod ihre Mutter war Claudia die Geliebte von Raimondo Senili, der die Beisetzung in seiner Stiftskirche zelebrierte. Noch immer legte sie jeden ersten Sonntag im Monat auf dem Sarkophag ihrer Mutter einen Strauß Blumen nieder, um zu zeigen, daß sie ihr verziehen habe.
    »So aber kam es, daß ich nie mir gehörte; niemals – bis heute. Doch nun«, endete Claudia ihre lange Geschichte, »werde ich mit allem abschließen. Fabricio Casale werde ich mein Haus überschreiben; er wird einen Verwalter einsetzen und einen guten Zins erwirtschaften. Ich selbst werde von meinem Ersparten leben, und wenn ich mich hinlänglich geprüft habe, kann es sein, daß ich um Aufnahme in Santa Maria Maddalena bitten werde.«
    Dann hatte Claudia ihn erwartungsvoll angesehen, und Jakob war aufgestanden, war neben sie getreten, hatte sie an ihren zitternden Händen hochgezogen und ihren Kopf gegen seine Brust gelehnt.
    »Te absolvo«, hatte er gemurmelt und war grußlos davongegangen.
    Seither hatte er sie nicht mehr

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