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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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Dass viele von uns diesen Fehler machen.«
    Doktor Genet reagierte, als wäre er persönlich angegriffen worden.
    »Es ist aber unsere Pflicht, realistisch zu bleiben! Im Augenblick ist so ein Vorhaben purer Wahnsinn! Das sehen Sie doch selbst auch!«
    »Es sind schon viele Erfindungen aus Wahnsinn heraus entstanden«, sagte Doktor Maserath leichthin, aber als er sah, dass Doktor Genet verärgert das Gesicht abwandte, fügte er schnell hinzu, dass es tatsächlich noch viel zu früh sei für solche Experimente.
    »Sie urteilen bereits, bevor Sie ihn selbst dazu angehört haben«, sagte Cremer leicht entrüstet. »Vielleicht ist er ja schon viel weiter, als wir vermuten. Mit seinem letzten Experiment hat er alle Welt überrascht. Das war ja auch der Grund, weshalb wir ihn hierher holen wollten. Und jetzt wollen Sie ihn plötzlich ausbremsen.«
    »Es überrascht mich, dass er den Ruf überhaupt annehmen will«, sagte Doktor Maserath ruhig. »Nach seiner Doktorarbeit hätte er auch schon hierbleiben können, aber damals hat er sich geweigert.«
    »Er hatte zu der Zeit ein lukratives Angebot von einer Fruchtbarkeitsklinik in Bonn«, entgegnete Doktor Genet. »Dort bekam er die Freiheit, selbstständig zu arbeiten.«
    »Er wollte vor allem die Theorie in die Praxis umsetzen«, ergänzte Doktor Maserath. »Wie hat er es damals noch gleich formuliert?«
    »Ich will Menschen Leben schenken«, sagte Doktor Genet.
    »Hinterher haben wir noch oft darüber gelacht. Vor allem über die Art, wie er es sagte. Ohne einen Funken Ironie. Und jetzt will er also noch weiter gehen. Ich weiß nicht, ob …«
    »Warten wir doch erst einmal ab, was er morgen zu erzählen hat«, unterbrach Cremer ihn.
    »Ich bin gespannt«, sagte Doktor Genet. »Ich bin wirklich gespannt.«
     
    Victor Hoppe hatte drei Stunden lang ununterbrochen gesprochen. Er hatte das Gefühl gehabt, noch einmal das Examen bestehen zu müssen. Fünf Biologen hatten mit ihm am Tisch gesessen, davon zwei seiner ehemaligen Professoren. Gleich zweimal hatte er beim Beantworten einer Frage ihre Namen verwechselt, keineswegs absichtlich.
    Einer der fünf war Rex Cremer. Der Ärztliche Direktor war freundlich gewesen. Nicht aufdringlich. Nicht argwöhnisch. Und ebenso wenig hatte er sich einzuschmeicheln versucht.
    Die anderen beiden, ihm unbekannten Professoren hatten ihm höflich die Hand geschüttelt. Sie hatten keine Fragen gestellt und beinahe atemlos zugehört.
    Seine zwei ehemaligen Professoren hingegen waren ausgesprochen kritisch gewesen, aber das hatte ihn nicht im Geringsten gestört. Er hatte alle Fragen ausführlich beantwortet und genau erklärt, wie er sich das Klonen von Mäusen vorstellte – noch im selben Jahr, hatte er kühn behauptet. Er hatte explizit behauptet, die heutige Praxis, Zellen über das Sendai-Virus miteinander zu verschmelzen, sei überholt, und bei seiner Methode mit der Pipette seien die Erfolgschancen viel größer. Es sei lediglich eine Frage der Technik, hatte er hervorgehoben.
    Als er zu Ende gesprochen hatte, hatte einer seiner ehemaligen Professoren noch eine letzte Frage gehabt. Eine Frage, mit der er gerechnet hatte.
    Ob er vorhabe, falls das jemals möglich sein sollte, Menschen zu klonen?
    Er hatte sich seine Antwort schon zurechtgelegt und ließ die Biologen damit verwirrt zurück.
    »Schaffen Sie uns einen Gott, der uns vorausgeht«, hatte er gesagt.
    Das hatte er schon immer als schönen Satz empfunden. Und damit war er aufgestanden.
     
    Mit drei gegen zwei Stimmen wurde Victor Hoppes Projekt angenommen. Am 1. September 1979 nahm er seine Arbeit an der Universität von Aachen auf. Er bekam ein eigenes Labor und ein großzügiges Budget, das er nach eigenem Gutdünken verwenden konnte. Außerdem wurde ihm ein Zimmer mit einem Schreibtisch und einer Pritsche zur Verfügung gestellt, sodass er nicht jeden Tag von Bonn nach Aachen pendeln musste. Einmal pro Woche musste er dem Ärztlichen Direktor Bericht erstatten, und einmal im Monat fand eine Zusammenkunft mit den anderen Biologen der Universität statt, bei der er den Stand seiner Experimente erläuterte.
    In den ersten Monaten hatte er wenig Neues vorzuweisen. Er arbeite an der Perfektionierung seiner Technik, sagte er. Wenn er mit der Pipette in die Zellwand eindringe, würden die Eizellen noch zu oft und zu schwer beschädigt, was böse Folgen nach sich ziehen könne. Man fragte, an was für Folgen er dachte. Er antwortete, die Eizelle könne an der entsprechenden Stelle

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