Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
auf M.C. wie eine Ohrfeige. Ehe sie begriff, was geschah, war Marge Webber auch schon aufgesprungen und kam durch das Zimmer gestürmt. Sie packte M.C. am Arm und brüllte sie an: „Sie haben das geschehen lassen! Wie konnten Sie nur?“
Entsetzt starrte M.C. sie an.
„Sie ist nicht blond!“ Die Finger der Frau krallten sich in ihren Oberarm. „Sie hat braune Augen, keine blauen!“
M.C.s Stimme versagte. Sie hätte auch so nicht gewusst, was sie sagen sollte.
„Marge, Honey“, redete ihre Freundin beschwichtigend auf sie ein. „Komm schon, beruhige dich.“
„Nein! Nein!“ Ihre Stimme wurde nur noch lauter und grenzte ans Hysterische. „Mein Baby“, klagte sie. „Er hat mir mein Baby weggenommen!“
Nachdem sich M.C. aus dem Griff der Frau gelöst hatte, ging sie ein paar Schritte zurück. Marge Webber brach unterdessen in den Armen ihrer Freundin zusammen.
M.C. bemerkte erst jetzt, wie sehr sie zitterte. Ihre Kehle war von Gefühlen der Schuld wie zugeschnürt, sodass sie Mühe hatte, ruhig und gleichmäßig zu atmen.
Jetzt konnte sie Kitt verstehen, ihre Besessenheit, ihr Handeln. Durch Marge Webber hatte sie es begriffen.
„Mit allen Mitteln“, murmelte sie.
„Was?“
Sie sah Kitt an. „Mir ist egal, was wir tun müssen, umdiesen Hurensohn zu fassen zu bekommen, und gegen wie viele Vorschriften wir dabei verstoßen müssen. Ich will den Kerl.“
Kitt warf ihr einen langen Blick zu, dann nickte sie. „Ja“, erwiderte sie zustimmend. „Mit allen Mitteln.“
42. KAPITEL
Freitag, 17. März 2006
11:20 Uhr
Kitt saß an ihrem Schreibtisch und betrachtete ihre Notizen. Sie mochte es, sich Dinge auf Klebezetteln zu notieren. Sie waren wie Teile eines Puzzles.
Gegenüber von ihr hing, zusammengesunken auf einem Stuhl, M.C. ihren Gedanken nach. Beide hatten eben eine langwierige Besprechung mit dem Sergeant und Sal und auch noch deren Boss hinter sich gebracht. Vierzig Minuten lang waren sie über den Fall ausgequetscht worden und hatten ihre Fortschritte – beziehungsweise deren Ausbleiben – sowie den jüngsten Mord darlegen müssen.
Der Chief wollte einfach nicht hinnehmen, dass Derrick Todd nicht der Täter war. Dafür passte er einfach zu perfekt. Ein verurteilter Sexualstraftäter, der bei einem Indoor-Spielplatz angestellt war. Der Chief bestand darauf, sich noch einmal mit dem ehemaligen Häftling zu befassen. Eine Verhaftung würde enorm viel dazu beitragen, die Bevölkerung zu beruhigen.
Wen kümmerte es schon, dass der arme Kerl es nicht gewesen war?
Sie nahm den Klebezettel, auf dem „Derrick Todd“ geschrieben stand, und zerknüllte ihn. Er war nicht länger im Rennen. Den letzten Mord konnte er erst recht nicht begangen haben, da er wegen des Verstoßes gegen seine Auflagen inhaftiert gewesen war.
Allerdings bezweifelte Kitt, dass er noch lange hinter Gittern sitzen würde. Dale hatte das Tagebuch gebracht, das unverzüglichan Todds Anwalt übergeben worden war.
Ihr Telefon klingelte, sie nahm den Hörer ab. „Detective Lundgren.“
„Das mit dem Engel ist bedauernswert“, sagte er.
Kitt schnippte mit den Fingern, um M.C. auf sich aufmerksam zu machen, dann hielt sie ihr einen Klebezettel hin, auf dem „Peanut ruft an“ stand.
M.C. nickte und informierte die Leitstelle, damit der Anruf zurückverfolgt wurde. Außerdem schrieb sie auf eine Karteikarte „11:42“ und legte sie vor Kitt hin.
„War das Ihr Werk?“, fragte Kitt.
„Ob ich sie getötet habe? Nein, Kitty, das war ich nicht.“
„Und das soll ich Ihnen glauben? Einfach so? Vor allem nach der kleinen Warnung, die Sie mir hinterlassen haben?“
„Ich hoffe, der Wert Ihres Wagens sinkt dadurch nicht zu sehr. Ich wollte kreativ sein.“
„Dann nehme ich an, dass ein brünettes Mädchen auch Ihrer Vorstellung von Kreativität entspricht.“
„Ich sagte bereits, ich habe mit diesem Mädchen nichts zu tun.“ Er senkte seine Stimme. „Ich würde ein Mädchen auswählen, das Ihnen mehr am Herzen liegt, Kitt. Ein Mädchen, zu dem Sie eine Verbindung haben.“
Tami. „Arschloch! Ich will einen Namen hören!“
„Sie sind keine gute Spielerin, nicht wahr?“
„Ich habe genug von Ihren Spielchen.“
Unüberhörbar zufrieden begann er zu lachen. „Ich hasse es, wenn wir uns streiten. Können wir uns nicht wieder vertragen?“
„Sagen Sie mir, was ich wissen will, und dann können wir wieder beste Freunde sein. Wir stehen beide auf der gleichen Seite. Wir wollen beide, dass der Nachahmer
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