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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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schluckte er heftig und nahm förmlich Haltung an.
    «Ja, es geht ihm besser», sagte er fast stammelnd. «Doch, er ist gerade bei mir, Heilig …» Wieder schluckte er schwer und stammelte: «J-Ja, ich werde das sofort veranlassen, Heiliger Vater.» Wie geistesabwesend legte er auf.
    «Heiliger Vater?», wiederholte Alexander.
    «Ja, ich glaube es kaum, er telefoniert höchstpersönlich. Da steht uns noch einiges bevor.» Fast hätte von Gunten sich bekreuzigt.
    «Unorthodox, sicher», meinte Alexander, «aber ich glaube, auch Johannes Paul I. hat schon eigenhändig zum Telefon gegriffen.»
    «Nun, Papst Custos hat noch mehr unorthodoxe Einfälle. Er will Sie sehen, Alexander.»
    «Mich? Aber ich bin nur ein einfacher Gardeadjutant.»
    «Sagen Sie das Seiner Heiligkeit.»
    «Wann?»
    «Jetzt.»
    Sie gingen über den Damasushof. Der Nieselregen war stärker geworden, doch Alexander merkte es kaum. Wie in Trance folgte er dem Vorgesetzten und versuchte noch immer zu begreifen, wie der Oberstleutnant seine Zweifel an Daneggers Schuld hatte zurückweisen können, ohne mit der Wimper zu zucken. Und zugleich fragte er sich, warum der Heilige Vater ihn sprechen wollte.
    Dass man mit Kardinal Jean-Pierre Gardien einen Mann der ungewöhnlichen Ideen auf den Stuhl Petri gesetzt hatte, war schon bei seiner ersten Ansprache nach der Amtsübernahme deutlich geworden. Wohl kaum jemand hatte erwartet, dass der neue Papst sich als Erstes für alle Verfehlungen seiner Vorgänger und auch, quasi im Vorgriff, seiner selbst entschuldigen würde. Er hatte angekündigt, die katholische Kirche werde zu Beginn des neuen Jahrtausends neue Wege gehen und sich rückbesinnen auf das, was Jesu Lehre ausmache.
    Worte, die Anlass zu tausenderlei Spekulationen boten.
    Papst Custos verteilte das Ungewöhnliche gleich en gros.
    Wenige Tage nach seiner Wahl hatte er erklärt, er werde sich für eine Begegnung der Oberhäupter aller großen Religionen einsetzen, damit ein Weg gefunden werde, die zahlreichen Glaubenskonflikte überall auf der Welt zu mindern. Dann wieder hatte der Papst während einer abendlichen Fernseh-Liveshow zu einer Telefonumfrage mit dem Thema «Ist harter Sex besser als weiche Liebe?» angerufen. Fassungslos hatte die Fernsehnation zugehört, als Custos freimütig plaudernd erklärte, er sei in dieser Frage natürlich kein Fachmann aus Erfahrung, doch er könne sich nicht vorstellen, dass etwas Hartes auf Dauer angenehmer sei als etwas Weiches; auf sein Kopfkissen treffe das jedenfalls nicht zu. Viele hatten gelacht, die Presse hatte ihre Schlagzeile für den nächsten Tag, das Volk liebte den Papst für solche Offenheit. Und die Kurie zitterte vor seinem nächsten Streich.
    Der Apostolische Palast verschluckte die beiden Männer, und ein Fahrstuhl brachte sie in den dritten Stock. Hier lagen die Privatgemächer des Papstes, bewacht von zwei Gardisten und zwei Gendarmen. Alle vier salutierten vor dem Oberstleutnant, wobei der Gruß der Vigilanzamänner recht lässig ausfiel.
    Der vierschrötige Mann mit dem rötlichen Gesicht und dem noch rötlicheren Haar, der Alexander und von Gunten hereinwinkte, war ein weiterer Grund für das Gerede über die seltsamen Ansichten und Methoden des neuen Papstes. Don Ovasius Shafqat war schon vor der Papstwahl der Privatsekretär von Kardinal Gardien gewesen. Einem Kardinal mochte man nachsehen, dass er einem irischen Trunkenbold vertraute – denn genau in diesem Ruf stand Shafqat –, dem Papst sah man es gewiss nicht nach.
    In einem kleinen, aber gemütlichen Empfangsbereich mit mannshohen Topfpflanzen, Korbsesseln und einem reich bestückten Zeitschriftenständer streckte Shafqat eine seiner rötlich behaarten Pranken aus. Es wirkte mehr wie das Ausfahren einer Schranke denn wie eine Einladung, Platz zu nehmen.
    «Wenn Sie hier warten möchten, Herr Oberstleutnant. Ich habe von Seiner Heiligkeit nur den Wunsch gehört, Adjutant Rosin zu sprechen.»
    Mit versteinerter Miene setzte sich von Gunten. Er hatte – in der Annahme, dass der Besuch Alexanders beim Papst etwas mit den nächtlichen Anschlägen zu tun habe – fest damit gerechnet, ebenfalls zum Heiligen Vater vorgelassen zu werden.
    Alexander folgte dem irischen Geistlichen durch einen geräumigen Saal und spürte, wie seine Knie wacklig wurden. In Formation vor dem Papst anzutreten oder vor seinem Palast Wache zu stehen war eine Sache – ihn zu einem Gespräch unter vier Augen zu treffen eine andere. Shafqat blieb vor einer hohen

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