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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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Schöpfer.»
    «Haben Sie den Vatikan deshalb verlassen?»
    «Auch deshalb.» Es klang ausweichend. «Die Männer dort wollen Gott dienen und verstricken sich doch in ihre kleinen, armseligen Streitereien und Eifersüchteleien. Selbst den neuen Papst feinden sie an, weil sie glauben, er könnte ihnen die angestammten Privilegien entreißen.»
    Alexander biss mit großem Appetit in ein Käsebrot und sagte mitten im heftigen Kauen: «Man kann allerdings nicht leugnen, dass Papst Gardien ein ungewöhnlicher Oberhirte ist. Das fängt bei dem Vorfall in der Nervi-Halle an und hört bei seinem Wappen auf.»
    «Ich habe sein Wappen noch nicht gesehen. Was ist damit?»
    «Ich kann mir über seine Bedeutung nicht so recht klar werden», antwortete Alexander und trank von seinem Milchkaffee.
    «Beschreib es mir, auch die Farben.»
    Alexander kam der Bitte nach und lieferte seine Deutung des Wappens gleich mit. «Nur der einzelne Stein auf der Waage bereitet mir Kopfzerbrechen. Drei Steine würden für die Heilige Dreifaltigkeit stehen, das ist klar. Aber nur einer?»
    «Was weißt du über die Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit?»
    «Was jeder weiß. Es ist der zentrale Punkt der christlichen Gotteslehre. Drei sind in Einem Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist.» Alexander streckte nacheinander Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der linken Hand aus und umschloss die drei Finger dann mit der Rechten. «Gottvater, der Schöpfer. Sein Sohn Jesus Christus, das Wort. Und der Geist, der schon im Alten Testament auf dem Wasser schwebt und in den Menschen wohnt. Dieser Lehrsatz besteht seit den Tagen der Alten Kirche.»
    Der Pater nickte energisch. «Er grenzt das Christentum von anderen Religionen ab. So halten die Juden und die Anhänger des Islam die Trinität gar für Blasphemie, für einen Verrat an der Lehre vom Einen und Einzigen Gott. Wollte unsere Kirche sich diesen Religionen jemals annähern, müsste sie auf das Trinitätsdogma verzichten.»
    «Was hat das alles mit dem Wappen des Heiligen Vaters zu tun?», fragte Alexander.
    «Bist du darauf wirklich noch nicht gekommen?»
    «Wäre ich ein Ketzer, würde ich sagen, der Heilige Vater stellt die Dreifaltigkeit Gottes in Frage.»
    «Das ist wohl kaum der treffende Ausdruck. Ein Wappen stellt nichts in Frage, es drückt etwas aus.»
    Alexander, der gerade seinen Becher zum Mund führen wollte, hielt in der Bewegung inne und starrte Borghesi fassungslos an.
    «Soll das heißen, ich habe es getroffen?»
    «Ich wüsste keine andere Erklärung für den einzelnen Stein.
    Drei Steine in der Waagschale sind ein feststehendes Zeichen.
    Wenn der Heilige Vater für sein Wappen nur einen Stein gewählt hat, muss das bedeuten, dass er Gottes Dreifaltigkeit verneint.»
    «Wie kommt er dazu?»
    Borghesi stieß, ohne im Mindesten zu lächeln, ein heiseres Lachen aus. «Vermutlich weiß er etwas, das wir nicht wissen.

    Oder zumindest glaubt er, es zu wissen.»
    «Über Gott?»
    «Über Gott, über Jesus oder über den Heiligen Geist. Wobei mir die zweite Möglichkeit als die wahrscheinlichste erscheint.
    Gott hat noch keiner begreifen können. Und das Dogma der Trinität ist letztlich aus dem Streit über die Göttlichkeit Jesu entstanden.»
    «Das Konzil von Nicaea im Jahr 325», entfuhr es Alexander.
    Der Pater nickte. «Als Konstantin der Große sich entschlossen hatte, das Christentum mit seiner immensen Integrationskraft zur Staatsreligion im Römischen Reich zu erheben, setzte er alles daran, diese Religion zu stärken. Deshalb berief er das Konzil von Nicaea ein, auf dem der Streit über Jesu Beziehung zu Gott entschieden werden sollte. Hochrangige Kirchenvertreter, darunter der alexandrinische Priester Arius und Konstantins bischöflicher Chronist Eusebius, vertraten die Ansicht, Jesus sei seinem göttlichen Vater nachgeordnet.
    Vorausgegangen war der Streit über die Frage, ob Jesus überhaupt göttlich oder – eingedenk der Einzigartigkeit Gottes –
    nur ein einfacher Mensch, allenfalls ein Zwischenwesen sei.
    Arius gestand Jesus zwar den Status eines Gottes zu, verneinte aber seine Wesensgleichheit mit Gott. Vielmehr, meinte er, habe Jesus seit Ewigkeit dem Gottvater innegewohnt, sei das höchste aller Geschöpfe, aber eben doch nur eine Schöpfung Gottes. Das war vielleicht die ketzerischste Behauptung, die man unserer Kirche entgegenschleudern kann.»
    «Warum?», fragte Alexander. Seine theologischen Kurse hatten ihn nicht tief genug in die Materie eingeführt, um ihn die

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