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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Klatsch abgeglitten, die Peterson normalerweise ignorierte. Heute abend stellte er den Ton jedoch lauter. Wie erwartet kam ein Kurzbericht über den Triumph, den Anna Rolfe an diesem Abend in Venedig bei ihrer Rückkehr aufs Konzertpodium gefeiert hatte.
    Nach diesem Beitrag schaltete Peterson den Fernseher aus und schloß seine Akten in seinem persönlichen Safe ein.
    Vielleicht hatte Antonio Orsatis Killer seinen Auftrag nicht ausführen können, weil Anna Rolfe wirkungsvoll beschützt wurde. Vielleicht hatte er kalte Füße bekommen. Oder vielleicht waren die beiden tot, aber ihre Leichen waren noch nicht aufgefunden worden. Sein Instinkt sagte Peterson, daß das nicht der Fall war. Sein Instinkt sagte ihm, daß in Venedig irgend etwas schiefgegangen war. Morgen früh würde er sich auf dem üblichen Weg mit Orsati in Verbindung setzen, um herauszubekommen, was passiert war.

    Er steckte einige Papiere in seine Aktentasche, knipste die Schreibtischlampe aus und ging hinaus. Seine gehobene Dienststellung verschaffte ihm das Privileg, seinen Mercedes auf dem gepflasterten Innenhof des Gebäudes parken zu dürfen, statt den Personalparkplatz neben dem Güterbahnhof benützen zu müssen. Er hatte das Wachpersonal angewiesen, seinen Wagen besonders im Auge zu behalten. Einen Grund dafür hatte er nicht genannt.
    Peterson fuhr die Sihl entlang nach Süden. Um diese Zeit waren die Straßen fast menschenleer: hier ein einzelnes Taxi; dort drei Gastarbeiter, die auf die Tram warteten, um in ihre beengten Unterkünfte in Außersihl oder dem Industriequartier zurückzukehren. Zu den Aufgaben von Petersons Mitarbeitern gehörte es, dafür zu sorgen, daß diese Leute hierzulande keine Schwierigkeiten machten. Keine Verschwörungen gegen den Despoten in der Heimat. Keine Demonstrationen gegen Schweizer Behörden. Tut einfach eure Arbeit, kassiert euren Lohn und haltet die Klappe. Peterson betrachtete die Gastarbeiter als notwendiges Übel. Die Schweizer Wirtschaft hätte ohne sie nic ht überleben können, aber manchmal schien es doch, als seien die verdammten Pakistanis und Portugiesen in Zürich bereits in der Überzahl.
    Er sah nochmals in seinen Rückspiegel. Anscheinend wurde er nicht beschattet, aber das brauchte nicht zu stimmen. Er wußte, wie man jemanden observierte, aber seine Ausbildung darin, wie man eine Überwachung entdeckte und sich ihr entzog, war ziemlich rudimentär gewesen.
    Peterson fuhr zwanzig Minuten lang kreuz und quer durch Wiedikon und erst dann an den Zürichsee und in die Tiefgarage seines Apartmenthauses. Während das Gittertor sich langsam wieder schloß, machte er unmittelbar dahinter halt, um sich zu vergewissern, daß niemand ihm zu Fuß folgte. Danach fuhr er die Wendelrampe zu seinem reservierten Stellplatz hinunter. An der Wand davor stand groß 6c, die Nummer seines Apartments.

    Peterson parkte rückwärts ein, schaltete die Scheinwerfer aus und stellte den Motor ab. Und dann blieb er lange sitzen, hielt das Lenkrad mit beiden Händen umklammert und spürte sein Herz etwas schneller schlagen, als für einen Mann seines Alters normal gewesen wäre. Jedenfalls war ein sehr großer Drink angebracht.
    Er ging langsam durch die Tiefgarage, hörte seine Schritte gedämpft von den Betonwänden widerhallen und war plötzlich hundemüde. Hinter einer Brandschutztür lag der kleine Vorraum, von dem aus der Lift ihn in sein Stockwerk hinaufbringen würde. Vor den geschlossenen Aufzugtüren aus Edelstahl stand eine Frau, die mit leicht schiefgelegtem Kopf die Lichtpunkte der Stockwerksanzeige verfolgte.
    Sie drückte mehrmals auf den Rufknopf und fluchte dabei laut vor sich hin. Dann reagierte sie auf Petersons Anwesenheit, indem sie sich zu ihm umdrehte und entschuldigend lächelte.
    »Sorry, aber ich warte seit fünf Minuten auf den verdammten Aufzug. Das blöde Ding ist kaputt, glaub ich.«
    Akzentfreies Züridütsch, dachte Peterson. Sie war jedenfalls keine Ausländerin. Peterson begutachtete sie rasch mit geübtem Blick. Die Unbekannte war schwarzhaarig und hellhäutig - eine Kombination, die ihn schon immer schrecklich angemacht hatte.
    Sie trug hautenge Jeans, die ihre langen Beine wirkungsvoll betonten. Unter ihrer Lederjacke hatte sie eine schwarze Bluse an, die eben weit genug aufgeknöpft war, um den Spitzenrand ihres schwarzen BHS sehen zu lassen. Attraktiv, mit fein geschnittenen Zügen, aber keine ausgesprochene Schönheit, nach der sich auf der Bahnhofstraße die Männer umgedreht

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