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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Stadtpolizei und einem Gerhardt Peterson, der von irgendeinem Sicherheitsdienst kam, quälend lange befragt worden. Hatte Ihr Vater Feinde, Frau Rolfe? Kennen Sie irgend jemanden, der Ihrem Vater vielleicht hätte schaden wollen? Sollten Sie irgendwelche Informationen besitzen, die uns bei unseren Ermittlungen nützlich sein könnten, legen Sie sie bitte jetzt auf den Tisch, Frau Rolfe. Sie wußte einiges, aber das waren keine Dinge, die man der Stadtpolizei erzählte. Anna Rolfe war stets der Auffassung gewesen, die Schweizer Polizei sei ein Bestandteil des Problems.
    Aber wem konnte sie trauen?
    Vorgestern war ein netter Gentleman von der israelischen Botschaft bei mir im Büro. Er hat gesagt, er würde dich gern sprechen.
    Sie warf einen Blick auf den Zettel mit der Telefonnummer, die Fiona ihr gegeben hatte.
    Er hat gesagt, er besitze Informationen über den Tod deines Vaters.
    Weshalb sollte jemand aus Israel behaupten, etwas über den Mord an ihrem Vater zu wissen? Und wollte sie wirklich hören,

    was er zu sagen hatte? Vielleicht war es besser, die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Dann konnte sie sich auf ihr Geigenspiel konzentrieren und sich auf Venedig vorbereiten. Sie sah sich die Nummer ein letztes Mal an, merkte sich die Ziffernfolge und warf den Zettel ins Feuer.
    Dann betrachtete sie wieder die Narben an ihrer Hand. Es gibt keinen Fluch, der auf der Familie Rolfe lastet, sagte sie sich.
    Jedes Ereignis hat eine Ursache. Ihre Mutter hatte Selbstmord verübt. Fünfundzwanzig Jahre später war ihr Vater ermordet worden. Weshalb? Wem kann ich trauen?
    Ich halte ihn für völlig harmlos. Vielleicht solltest du dir anhören, was er zu sagen hat.
    Sie blieb noch einige Minuten liegen, dachte über alles nach.
    Dann ging sie in die Küche, nahm den Telefonhörer ab und wählte die Nummer in London.

9 - COSTA DE PRATA, PORTUGAL
    Die Zufahrt zu Anna Rolfes Villa schlängelte sich über einen Hügelrücken mit Blick auf den Atlantik. Mitunter wurde die Aussicht durch eine Kieferngruppe oder einen Felsblock aus rauchfarbenem Granit versperrt. Dann fuhr Gabriel um die nächste Kurve, und die Bäume wichen zurück und ließen ihn wieder das Meer sehen. Es war später Nachmittag, und die Sonne stand schon tief über dem Wasser, das die Farben von Aprikosen und Blattgold anzunehmen begann. Mächtige Brecher brandeten in eine kleine Bucht. Gabriel ließ das Fahrerfenster herunter und legte seinen Ellbogen auf den Fensterrahmen. Die in den Wagen strömende kühle Luft war mit Meeresdüften geschwängert.
    Er bog in Richtung Dorf ab, wobei er sich an ihre Wegbeschreibung hielt. Nach den maurischen Ruinen links, den Hügel hinunter bis zur alten Kellerei, dann den Weinberg entlang wieder den Hügel hinauf. Der Asphalt wurde zu einer Schotterstraße, die zuletzt in eine mit Kiefernnadeln bedeckte bloße Fahrspur überging.
    Die Fahrspur endete an einem Holztor. Gabriel öffnete es gerade weit genug, um seinen Wagen einzulassen, und fuhr weiter aufs Grundstück. Vor ihm ragte die Villa auf: ein Bau in Form eines L mit Ziegeldach und fahlen Steinmauern. Als Gabriel den Motor abstellte, konnte er hören, wie Anna Rolfe übte. Er hörte ihr einen Augenblick zu und versuchte das Stück zu erkennen, aber es gelang ihm nicht.
    Als Gabriel ausstieg, kam ein Mann den Hügel heraufgeschlendert: breitkrempiger Hut, lederne Arbeitshandschuhe, eine selbstgedrehte Zigarette im Mundwinkel. Er rieb Erde von seinen Handschuhen und zog sie dann aus, während er den Besucher inspizierte.

    »Sie sind der Mann aus Israel, ja?«
    Gabriels Antwort bestand aus einem knappen, widerstrebenden Nicken.
    Der Gärtner lächelte. »Kommen Sie bitte mit.«
    Der Blick von der Terrasse aus war beeindruckend: die Hügel und der Weinberg, dahinter die offene See. Aus einem offenen Fenster über Gabriels Kopf drang Anna Rolfes meisterhaftes Geigenspiel. Die Haushälterin tauchte auf; sie servierte ihm Kaffee, legte ihm einen Stapel deutschsprachiger Zeitungen der vergangenen Woche hin und verschwand ebenso stumm, wie sie gekommen war. In der Neuen Zürcher Zeitung fand er einen Artikel über die Ermittlungen im Mordfall Rolfe. Ein Kasten daneben enthielt einen langen Bericht über Anna Rolfes Karriere. Er überflog ihn rasch und legte ihn dann zur Seite. In diesem Bericht stand nichts, was er nicht schon wußte.
    Bevor Gabriel ein Gemälde anrührte, las er erst möglichst viel über den Maler, der es geschaffen hatte. Mit dieser Methode hatte er sich

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