Der Engländer
Fuß - erst den Corso d'Italia, dann die Via Veneto entlang -, bevor er ein vorbeifahrendes Taxi anhielt und sich zum Centro Storico bringen ließ.
Er schlenderte zwanzig Minuten lang kreuz und quer durch enge Straßen und über stille Plätze, bis er sicher war, nicht beschattet zu werden. Erst dann ging er zur Piazza Navona.
Selbst an diesem kühlen Abend war der Platz belebt, die Cafés waren überfüllt, Straßenkünstler versuchten, billige Gemälde zu verkaufen.
Gabriel machte langsam einen Rundgang um den Platz, betrachtete hier einen reichverzierten Brunnen und blieb dort stehen, um einem Blinden, der auf einer Gitarre mit nur vier Saiten klimperte, ein paar Geldstücke in den Sammelkorb zu werfen. Irgend jemand folgte ihm, das spürte er deutlich.
Er ging in Richtung Kirche weiter und kehrte dann plötzlich um. Sein Beschatter stand jetzt am Rand der kleinen Gruppe, die dem blinden Gitarristen zuhörte. Gabriel ging zu ihm hinüber, blieb neben ihm stehen.
»Sie sind sauber«, sagte der Mann. »Gehen Sie rein.«
Die Kirche war leer, die Düfte von Kerzenwachs und Weihrauch hingen schwer in der Luft. Gabriel ging durchs Kirchenschiff nach vorn und blieb vor dem Hochaltar stehen, als bewundere er
die Fresken über dem Altar. Hinter ihm wurde die Tür geöffnet und ließ den Lärm des lebhaften Treibens auf der Piazza Navona in die Kirche. Er drehte sich um, sah aber nur eine alte Frau, die hereingekommen war, um zu beten.
Im nächsten Augenblick ging die Tür erneut auf. Diesmal trat ein Mann ein, Lederjacke, flinke schwarze Augen: Rami, der persönliche Leibwächter des Alten. Er kniete in einer Bank nieder und bekreuzigte sich.
Gabriel unterdrückte ein Lächeln, als er sich wieder abwandte und erneut die Fresken über dem Altar betrachtete. Dann öffnete die Tür sich nochmals und ließ wieder den Lärm der Piazza ein, aber diesmal machte Gabriel sich nicht erst die Mühe, sich umzudrehen, weil er Ari Schamrons charakteristisch energischen Schritt sofort erkannte.
Wenig später stand Schamron an seiner Seite und sah ebenfalls zum Altar auf. »Was gibt's, Gabriel?« fragte er ungeduldig. Schamron war außerstande, Kunst zu würdigen.
Schönheit fand er nur in einem perfekt geplanten Unternehmen oder der Vernichtung eines Feindes.
»Diese Fresken stammen übrigens von Raffael. Er hat selten al fresco gemalt, nur für Päpste und Leute aus ihrem engeren Umkreis. Diese Kapelle gehörte dem prominenten Bankier Agostino Chigi, und als Raffael ihm seine Rechnung für die Fresken vorlegte, war Chigi so empört, daß er Michelangelo um ein Gutachten bat.«
»Wie hat Michelangelo darauf reagiert?«
»Er hat Chigi erklärt, er hätte mehr verlangt.«
»Ich hätte mich bestimmt auf die Seite des Bankiers geschlagen. Kommen Sie, wir gehen spazieren. Katholische Kirchen machen mich nervös.« Er rang sich ein angespanntes Lächeln ab. »Ein Überbleibsel aus meiner Kindheit in Polen.«
Sie machten einen Rundgang um die Piazza. Der wachsame Rami folgte ihnen wie Schamrons schlechtes Gewissen: die Hände in den Jackentaschen, die Augen in ständiger Bewegung.
Schamron hörte schweigend zu, während Gabriel ihm von der verschwundenen Gemäldesammlung erzählte.
»Hat sie bei der Polizei Anzeige erstattet?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Gabriel berichtete, was Anna gesagt hatte, als er ihr dieselbe Frage gestellt hatte.
»Warum hat ihr Vater die Existenz dieser Sammlung geheimgehalten?«
»So etwas kommt gelegentlich vor. Vielleicht hat die Art seiner Sammlung keine öffentliche Zurschaustellung zugelassen.«
»Wollen Sie damit andeuten, Rolfe sei ein Kunstdieb gewesen?« fragte Schamron.
»Nein, kein Kunstdieb, aber manchmal liegen die Dinge etwas komplizierter, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre.
Vielleicht war die Provenienz der Sammlung Rolfe nicht über jeden Zweifel erhaben. Wir reden hier schließlich von der Schweiz.«
»Das heißt?«
»Die Banktresore und Kellergewölbe der Schweiz sind voller historischer Beutestücke, zu denen auch Kunstwerke gehören.
Vielleicht haben diese Gemälde gar nicht Rolfe gehört. Eines steht jedoch fest: Die Leute, die sie aus seinem Haus geholt haben, hatten einen bestimmten Grund dafür. Sie haben einen Raffael im Wert von mehreren Millionen Dollar zurückgelassen.«
»Können sie wiederbeschafft werden?«
»Schon möglich. Das hängt davon ab, ob sie bereits verkauft sind.«
»Lassen solche Gemälde sich auf dem schwarzen Markt rasch
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