Der Engländer
Farmhaus verließ, blieben vier hartgesottene Terroristen der Provisional Irish Republican Army tot zurück. Zwei von ihnen waren praktisch in Stücke gehackt.
Nach einem langen Erholungsurlaub kehrte Keller nach Hereford zurück. Er verausgabte sich bei Gewaltmärschen übers Moor und bildete neue Rekruten in der Kunst des lautlosen Tötens aus. Aber seinen Vorgesetzten und den Psychologen des Regiments war klar, daß Belfast ihn verändert hatte.
Dann fiel Saddam Hussein im August 1990 in Kuwait ein.
Fünf Monate später durchstreiften Keller und seine Einheit die Wüstengebiete im Westen des Iraks, um die mobilen Scud-Startrampen, die Tod und Verderben auf Tel Aviv herabregnen ließen, aufzuspüren und zu zerstören. In der Nacht zum 29.
Januar 1991 entdeckten Keller und sein Team etwa hundert Meilen nordwestlich von Bagdad in der Wüste eine Scud-Startrampe. Er gab ihre Koordinaten an seine Kommandeure in Saudi-Arabien durch. Eineinhalb Stunden später kam eine Formation von Jagdbombern der Verbündeten im Tiefflug über die Wüste herangerast, aber wegen eines schreckliche n Irrtums griffen sie nicht die Scud-Stellung, sondern das SAS-Team an.
Obwohl nie sterbliche Überreste von Gefallenen aufgefunden wurden, gelangte eine britische Untersuchungskommission zu dem Schluß, es habe keine Überlebenden gegeben.
Was danach kam, war im wesentlichen eine Theorie wieder auf der Grundlage von Geheimdienstmeldungen. Einige Monate nach dieser Katastrophe in der irakischen Wüste tauchte in der europäischen Killerszene ein neuer, sehr professionell arbeitender Berufskiller auf. V-Leute der Polizeien berichteten von einem Mann, der nur als »der Engländer« bekannt war.
Niemand konnte mehr als eine äußerst vage Personenbeschreibung von ihm liefern. Nach letztem Stand wurde der geheimnisvolle Killer verdächtigt, mindestens zwanzig bisher nicht aufgeklärte Morde verübt zu haben. Britische Geheimdienstkreise vermuteten, Christopher Keller und »der Engländer« seien identisch.
Zu dem Dossier gehörten auch zwei Photos. Das erste war eine der Aufnahmen, die Gabriel von dem Mann gemacht hatte, der in Paris die Galerie Müller betreten hatte. Das zweite zeigte eine Gruppe von Männern vor einer einsamen Moorlandschaft.
Eines der Gesichter war von einem Kreis umgeben. Gabriel verbrachte lange damit, die beiden Aufnahmen zu vergleichen.
Dann griff er nach dem Telefonhörer und rief Schamron in Tel Aviv an. »Ich habe das merkwürdige Gefühl, diesem Mann tatsächlich schon einmal begegnet zu sein.« Er hatte erwartet, daß seine Behauptung Schamron überraschen würde. Statt dessen wies der Alte ihn nur an, in der Nähe des Faxgeräts zu bleiben, und legte auf.
Im Jahr 1988 hatte Gabriel Allem eines der berühmtesten Unternehmen in der Geschichte der israelischen Geheimdienste durchgeführt: die Ermordung des zweithöchsten PLO-Kommandeurs Abu Dschihad. Er hatte die Villa des Palästinensers in Tunis in einer langen und gefährlichen Aktion überwacht und sie zur Ausbildung seines Teams in der Wüste Negeb nachbauen lassen. Dann hatte er in einer warmen Aprilnacht ein Kommando der Sajeret-Eliteeinheit in die Villa geführt und Abu Dschihad vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder erschossen. Dachte er jetzt an diese Nacht zurück, konnte er noch immer den in ihren dunklen Augen brennenden Haß sehen.
Eineinhalb Jahre nach der Liquidierung Dschihads kam ein Team aus britischen Geheimdienstleuten und SAS-Offizieren, die im Abwehrkampf gegen IRA-Terroristen standen, nach Tel Aviv, um die Taktik der Israelis zu studieren. Ari Schamron ließ Gabriel in die Geheimdienstakademie kommen und befahl ihm, bei einem Mittagessen mit den Gästen einen Vortrag über das Tunis-Unternehmen zu halten. Unter seinen damaligen Zuhörern war auch ein SAS-Leutnant gewesen.
Als nächstes kam ein Photo aus dem Faxgerät. Es war nach dem Mittagessen mit den Gästen gemacht worden, um den Geist kameradschaftlicher Zusammenarbeit zwischen den Geheimkriegern der beiden Staaten zu dokumentieren. Gabriel, der notorisch kamerascheu war, trug außer seiner Sonnenbrille eine Baseballmütze, um seine Identität zu tarnen. Der Mann neben ihm starrte direkt ins Kameraobjektiv. Gabriel begutachtete sein Gesicht sorgfältig.
Der Mann war Christopher Keller.
24 - MÜNCHEN - ZÜRICH
Der Kurier erwartete Gabriel, als er in München aus der Paßkontrolle kam. Er hatte karamelfarbenes Haar und hielt ein großes Schild mit der Aufschrift MR.
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