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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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schreckliche Rache üben zu lassen.«
    Heute wie damals sah Lavon ihn nicht an, während Gabriel seine Geschichte erzählte. Er starrte auf seine Hände hinunter und spielte mit flinken kleinen Fingern mit seinem Feuerzeug, bis Gabriel mit seinem Bericht fertig war.
    »Hast du eine Liste der Bilder, die aus dem Geheimgewölbe verschwunden sind?«
    »Ja, aber ich weiß nicht, wie vollständig sie ist.«
    »In New York lebt ein Mann, der die Dokumentation der Kunstdiebstähle der Nazis zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat. Er kennt das Inventar aller geraubten Sammlungen, alle Transaktionen, alle Stücke, die wiederaufgetaucht sind, und alle Stücke, die noch verschollen sind. Wenn irgend jemand etwas über Augustus Rolfes Sammlertätigkeit weiß, dann ist er dieser Mann.«
    »Diskret, Eli. Äußerst diskret.«
    »Mein lieber Gabriel, ich kenne keine andere Methode.«
    Lavon zog seinen Mantel an und begleitete Gabriel über den Judenplatz. »Weiß die Tochter irgend etwas von deinen Entdeckungen?«
    »Noch nicht.«
    »Da beneide ich dich nicht. Ich rufe dich an, sobald ich von meinem Freund in New York höre. Du solltest inzwischen in dein Hotel gehen und etwas schlafen. Du siehst nicht besonders gut aus.«
    »Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt ric htig geschlafen habe.«
    Lavon schüttelte den Kopf und legte Gabriel seine schmale Hand auf die Schulter. »Du hast wieder getötet, Gabriel. Das sehe ich dir am Gesicht an. Es trägt die Spuren des Todes. Geh auf dein Zimmer und wasch dir das Gesicht.«
    »Sei ein braver Junge und paß gut auf dich auf.«
    »Früher habe ich auf dich aufgepaßt.«
    »Du warst immer der Beste.«
    »Ich will dir ein kleines Geheimnis verraten, Gabriel das bin ich noch immer.«
    Mit diesen Worten wandte Lavon sich ab und tauchte in der Menge auf dem Judenplatz unter.
    Gabriel ging zu der kleinen Trattoria in der Nähe des Judenplatzes, in der er seine letzte Mahlzeit mit Leah und Dani eingenommen hatte. Erstmals seit zehn Jahren stand er wieder an der Stelle, wo damals ihr Wagen explodiert war. Als er den Kopf hob, sah er den Turm des Stephansdoms über den Dächern aufragen. Plötzlich kam ein kalter Wind auf; Gabriel schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch. Was hatte er erwartet zu empfinden? Trauer? Wut? Haß? Zu seiner großen Überraschung empfand er eigentlich nichts Besonderes. Er wandte sich ab und ging im Nieselregen ins Hotel zurück.
    Ein Exemplar der Zeitung Die Presse war unter der Zimmertür hindurchgeschoben worden und lag auf dem Boden des kleinen Vorraums. Gabriel hob die Zeitung auf und nahm sie ins Zimmer mit. Anna schlief noch immer. Irgendwann hatte sie sich ausgezogen, und im Halbdunkel hinter den geschlossenen Vorhängen konnte er die makellos glatte Haut ihrer Schulter auf der Bettwäsche leuchten sehen. Er ließ die Zeitung achtlos auf die freie Hälfte des Doppelbetts fallen.
    Gabriel spürte, wie erschöpft er war. Er mußte unbedingt schlafen. Aber wo? Im Bett? Neben Anna? Neben Augustus Rolfes Tochter? Wieviel wußte sie? Welche Geheimnisse hatte ihr Vater ihr anvertraut? Welche Geheimnisse hatte sie Gabriel verschwiegen?
    Er erinnerte sich daran, was Julian Isherwood in London zu ihm gesagt hatte: »Du solltest durchwegs davon ausgehen, daß sie mehr über ihren Vater und seine Sammlung weiß, als sie dir erzählt. Töchter neigen dazu, sich schützend vor ihre Väter zu stellen, selbst wenn sie diese für völlige Schweinehunde halten.«
    Nein, sagte Gabriel sich - er würde nicht neben Anna Rolfe schlafen. Im Kleiderschrank fand er eine zusätzliche Decke und ein weiteres Kopfkissen, mit denen er sich auf dem Fußboden ein primitives Lager baute. Als er sich darauf ausstreckte, kam es ihm vor, als liege er auf einer kalten Marmorplatte. Dann griff er nach oben und tastete blindlings die Steppdecke ab, bis er die Zeitung gefunden hatte. Er achtete darauf, nicht mit der Zeitung zu rascheln, um Anna nicht zu wecken. Auf der Titelseite stand ein kurzer Bericht über die Ermordung des bekannten Schweizer Historikers Emil Jacobi in Lyon.

28 - WIEN
    Draußen sank die Abenddämmerung herab, als Eli Lavon bei Gabriel anrief. Anna bewegte sich, dann schlief sie unruhig weiter. Irgendwann nachmittags hatte sie die Bettdecke weggestrampelt, und ihr Körper lag in dem durchs halboffene Fenster hereinkommenden kalten Luftzug. Gabriel deckte sie wieder zu, bevor er nach unten ging. Lavon saß bei einem Kaffee in der Hotelhalle. Er goß Gabriel eine Tasse ein und

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