Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
seiner Vernehmung wird Peterson klar, wie und wem der Alte seine Sammlung übergeben wollte. Und er erkennt, daß Rolfes Plan schon weiter gediehen war, als irgend jemand vermutet hatte. Er entläßt Gabriel aus der Haft, warnt ihn davor, jemals wieder einen Fuß auf Schweizer Boden zu setzen, und läßt ihn überwachen. Vielleicht läßt er auch Anna Rolfe überwachen. Als Gabriel mit seinen Ermittlungen beginnt, erfährt Peterson sofort davon. Er ordnet ein Säuberungs-unternehmen an. Werner Müller wird in Paris ermordet, seine Galerie bei dem Bombenanschlag zerstört. Gabriel wird bei seinem Treffen mit Emil Jacobi in Lyon beobachtet, und drei Tage später wird auch Jacobi ermordet.
    Anna brach ein Endstück des frischen Dinkelbrots ab. »Wer sind sie?« wiederholte sie.
    Gabriel fragte sich, wie lange er geschwiegen hatte, wie weit er in dieser Zeit gefahren sein mochte. »Das weiß ich nicht bestimmt«, sagte er. »Aber vielleicht ist die Sache folgendermaßen gelaufen…«
    »Hältst du das wirklich für möglich, Gabriel?«
    »Tatsächlich ist das die einzig logische Erklärung.«
    »Mein Gott, mir wird richtig schlecht! Ich will aus diesem Land raus!«
    »Das will ich auch.«
    »Falls deine Theorie stimmt, bleibt eine Frage vorläufig unbeantwortet.«
    »Welche denn?«
    »Wo sind die Gemälde jetzt?«
    »Wo sie schon immer waren.«
    »Wo, Gabriel?«
    »Hier in der Schweiz.«

31 - BARGEN, SCHWEIZ
    Etwa fünf Straßenkilometer von der deutschen Grenze entfernt liegt am Ausgang eines mit Holzfällerdörfern gesprenkelten engen Tals das triste kleine Bargen, das in der Schweiz allein deshalb berühmt ist, weil es die nördlichste Stadt des Landes ist.
    Unmittelbar an der Fernstraße stehen eine Tankstelle und ein kleiner Lebensmittelmarkt mit einem mit Kies bestreuten Parkplatz. Gabriel stellte den Motor ab, und sie warteten im bleigrauen Nachmittagslicht.
    »Wie lange dauert's, bis sie kommen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Ich muß mal.«
    »Das mußt du dir verkneifen.«
    »Ich habe mich immer gefragt, wie ich in einer Situation wie dieser reagieren würde, und nun weiß ich's endlich. In höchster Gefahr, in einer Situation, in der es um Leben oder Tod geht, überkommt mich das unkontrollierbare Bedürfnis zu pinkeln.«
    »Du besitzt unglaubliche Konzentrationsfähigkeit. Nutze sie.«
    »Würdest du das an meiner Stelle tun?«
    »Ich muß nie pinkeln.«
    Sie boxte ihn gegen den Oberarm, aber nur sanft, um seine verletzte Hand zu schonen.
    »Ich habe dich in Wien auf der Toilette gehört. Ich habe gehört, wie du dich übergeben hast. Du tust immer so, als könnte dich nichts erschüttern. Aber du bist auch nur ein Mensch, Gabriel Allon.«
    »Willst du nicht eine Zigarette rauchen? Vielleicht hilft dir das, auf andere Gedanken zu kommen.«
    »Wie war dir zumute, als du die Männer im Haus meines Vaters erschossen hast?«
    Gabriel dachte an Eli Lavon. »Ich hatte nicht viel Zeit, über die moralische Seite oder die Konsequenzen meines Handelns nachzudenken. Hätte ich sie nicht erschossen, hätten sie mich erledigt.«
    »Ich nehme an, sie könnten die Männer gewesen sein, die meinen Vater ermordet haben.«
    »Ja, das ist möglich.«
    »Dann bin ich froh, daß du die Kerle umgelegt hast. Ist es falsch, so zu denken?«
    »Nein, das ist ganz natürlich.«
    »Gut. Ich bedauere, daß du die beiden erschießen mußtest, aber ich bin froh, daß sie tot sind.« Sie befolgte seinen Rat und zündete sich eine Zigarette an. »So, du kennst jetzt alle schmutzigen Geheimnisse meiner Familie. Aber heute ist mir aufgefallen, daß ich praktisch nichts über dich weiß.«
    »Du weißt mehr über mich als die meisten Leute.«
    »Ich weiß ein bißchen darüber, was du tust - aber nichts über dich.«
    »Das ist mir gerade recht.«
    »Ach, komm schon, Gabriel. Bist du wirklich so kalt und abweisend, wie du immer tust?«
    »Man hat mir schon vorgeworfen, ich sei viel zu oft geistesabwesend.«
    »Ah! Das ist immerhin ein Anfang. Erzähl mir noch mehr.«
    »Was willst du denn wissen?«
    »Du trägst einen Ehering. Bist du verheiratet?«
    »Ja.«
    »Lebst du in Israel?«
    »Ich lebe in England.«
    »Hast du Kinder?«

    »Wir hatten einen Sohn, aber der ist durch die Bombe eines Terroristen umgekommen.« Er starrte sie kalt an. »Noch irgendwas, das du über mich wissen möchtest, Anna?«
    Nach allem, was sie über sich selbst und ihren Vater offenbart hatte, war Gabriel ihr jetzt vermutlich eine Art Gegenleistung schuldig. Aber er

Weitere Kostenlose Bücher