Der Entertainer
zwischen uns hatte Vasco seinen Platz gefunden. Gut fühlte ich mich nicht. Mir gefiel einfach nicht, daß sich nichts tat. Wir saßen hier und warteten ab. Das sagte ich auch der Voodoo-Königin. Madame hob die Schultern. »Es ist noch nicht soweit«, flüsterte sie.
»Und wann wird es das sein?«
Sie bewegte ihre Finger, als wollte sie Geld zählen. »Man muß es spüren, verstehen Sie? Man muß genau spüren, wenn sich das Böse ausbreitet. Erst dann können wir etwas tun.«
»Du verläßt dich auf dein Medium.«
»Ja, das tue ich.«
Ich nickte. »Hoffentlich wird sie uns diesmal den genauen Weg zeigen können und nicht den ungefähren. Ich will wissen, wann dieses Monstrum erscheint und ich endlich zuschlagen kann.«
»Wer möchte das nicht?«
»Was ist mit Vasco?« fragte Suko. »Er ist doch auch sensitiv. Spürt er denn nichts?«
Mir gefiel der junge Mann nicht, der stumm neben uns hockte und den Kopf gesenkt hielt. Als er meinen Namen hörte, schaute er hastig auf. Im Dämmerlicht glänzte seine Gesichtshaut wie eine Speckschwarte. »Was wollt ihr von mir?«
»Nichts, Vasco, nichts.« Madame legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wir wollen nichts von dir.«
Er bewegte seine Augen und sah dabei schaurig aus. »Glaubt nur nicht, daß ich nicht weiß, weshalb wir hier sind. Glaubt es nur nicht. Ich weiß Bescheid.«
»Das glauben wir dir.«
»Ihr sucht das Böse, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ha, ha.« Er lachte völlig unmotiviert. »Das weiß ich alles, und ich kann euch auch sagen, wo ihr es finden werdet. Ich habe es gespürt, ich weiß, daß es uns bereits unter Beobachtung hält.«
»Du bist gut, Vasco!« lobte ihn die Frau. »Jetzt brauchst du uns nur zu sagen, wo es sich befindet?«
»Überall.«
»Schön, alles richtig. Wenn wir jetzt nach draußen gehen, können wir es dann sehen?«
Er überlegte, schüttelte den Kopf. »Nein, nur ich kann es spüren. Es lockt mich.«
»Wohin?«
»In mein Zimmer.« Plötzlich sprang er auf. Zwei in seiner Nähe stehende Harken kippten um. Ein Stiel prallte auf die Schulter der stumm dasitzenden Coco. »Ich gehe in mein Zimmer, denn dort hat es sich versteckt. Da werde ich es bekommen.«
Ich wollte ihn zurückhalten, aber Madame Oviano schüttelte den Kopf.
»Laß ihn gehen! Was soll ihm dort passieren?«
»Ich weiß nicht…«
»Glaube mir, er wird sich seinen Fetisch holen. Ich habe ihn ihm gegeben. Es ist eine kleine Puppe, die seine Gesichtszüge trägt. Sie soll ihn beschützen.«
»Eine Puppe ohne Nadeln, nehme ich an.«
»Richtig, kein Voodoo. Ich habe nur die guten Geister beschworen. Er vertraut der Puppe.« Sie wandte sich an Vasco. »Willst du deinen Wächter holen?«
Der junge Mann stand mit gesenktem Kopf vor uns. »Ja, ja, ich habe ihn vergessen. Ohne ihn bin ich hilflos. Da habe ich Angst. Aber wenn er bei mir ist, kann mir nichts passieren.«
»Gut, wir warten auf dich.«
Seine Augen bekamen einen beinahe festlichen Glanz. »Und wenn ich zurück bin, verlassen wir das Haus hier und machen uns auf die Suche nach dem Bösen. Sollen wir das?«
»Alles was du willst, Vasco.«
Er sprach wie ein Kind, und wir mußten zu ihm sprechen, als wäre er ein Kind.
Rückwärts ging er zur Tür und beobachtete uns. Es sah so aus, als würde er uns nicht trauen.
Sehr bald drückte er die schmale Tür hinter sich zu. Ich hörte mich selbst laut atmen und sagte dann: »Wenn ich ehrlich sein soll, dann traue ich ihm nicht so recht.«
»Warum nicht, John?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe ständig das Gefühl, einen Fehler begangen oder etwas übersehen zu haben.«
»Und was, bitte?«
»Wenn ich das wüßte, Madame, wäre mir wohler…«
***
Mit langen Schritten war er durch den Garten gehetzt und blieb schließlich schweißgebadet stehen. Mit dem Rücken lehnte er sich gegen den Stamm einer Fächerpalme, die seine Eltern neben anderen Gewächsen hatten anpflanzen lassen.
Er hörte die Musik, nahm die Stimme wahr, und der Drang, dorthin zu gehen, verstärkte sich in seinem Innern. Gleichzeitig kroch die Abneigung in ihm hoch, denn in seiner Brust kämpften wiederum zwei Seelen. Er war hin-und hergerissen, er dachte an seine Eltern und auch daran, daß es ihm jetzt gutgetan hätte, mit der Mutter einige Worte zu reden. Die aber ließ sich nicht blicken. Sie würde auch für ihn keine Zeit haben, denn sie gehörte zu den Menschen, deren Leben praktisch nur aus Feiern bestand. Für die normalen Probleme der Welt hatte diese Frau keinen Blick. Oft
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