Der Entertainer
Ausdruck trug, steckte zumeist etwas dahinter, und wir machten uns auf einiges gefaßt.
Er setzte sich auf die Schreibtischkante, schaute mich an und nickte.
»Sie wollen also in die Sonne, John?«
»Ist das ein Fehler?«
Sir James hob beide Hände. »Um Himmels willen, nein! Das ist kein Fehler. Sie auch, Suko?«
»Ich würde nicht nein sagen.« Sir James nickte fast betrübt. »Und ich muß hier im trüben, winterlichen London hockenbleiben.«
»Wir ja auch.«
»Meinen Sie, John?«
Wir horchten auf. Sir James machte es wieder spannend. Er schenkte uns den Kelch der Wahrheit nur tropfenweise ein. »Es gibt natürlich zahlreiche Ecken auf der Welt, wo jetzt die Sonne scheint. Abgesehen von Australien, aber wie würde Ihnen denn Rio gefallen?«
»Die schlimmste Stadt der Welt?« rief Suko.
»Zum Beispiel.«
»Weniger. Ich weiß nicht, wie John denkt, aber wenn ich mir das Elend vorstelle…«
»Damit sollten sie fertig werden.«
»Moment mal, Sir. Heißt das etwa, daß wir nach Rio fahren sollen?«
»Nicht fahren, Inspektor, fliegen.«
»Auch das.«
Sir James nickte. »Das heißt es in der Tat. Rio wartet auf Sie.« Er drückte seine Brille zurück.
»Doch keinen vom Yard spendierten Urlaub!«
»Nein, John, es ist dienstlich.«
»Und worum geht es? Macumba? Tanzende Köpfe, irgendwelche Schleimwesen?« Ich zählte da einiges auf, was ich in Rio schon erlebt hatte, aber Sir James schüttelte den Kopf.
»Es geht um Mord!« Das Gesicht des Superintendenten war mit einemmal sehr ernst geworden. Ein Zeichen, daß er jetzt direkt werden würde.
»Kennen Sie den Kollegen Walter Ingram?«
»Nein.«
»Aber ich«, sagte Suko. »Er arbeitet in der Fahndung, die ausgebaut werden soll.«
»Ja, deswegen ist er nach Rio gefahren. Zusammen mit anderen Kollegen aus mehreren Ländern. Nur sind die zurückgekommen, Walter Ingram leider nicht. Man brachte ihn um. Es traf ihn in einer wunderschönen Tropennacht am Strand.«
»Wer tat es?«
»Der Entertainer!«
Diese Antwort überraschte uns beide, und Sir James gab eine Erklärung ab. »So wird die Bestie genannt, die Rio unsicher macht. Man hat mir Fotos vom Tatort geschickt. Bitte, schauen Sie genau hin, dann werden Sie wissen, was ich meine.«
Er holte die Aufnahmen aus der rechten äußeren Jakkettasche und breitete sie auf dem Schreibtisch aus.
Was Suko und ich zu sehen bekamen, war kaum zu beschreiben. Es war einfach fürchterlich, grauenhaft, schrecklich und brutal in seiner Schärfe.
»Mein Gott«, sagte ich nur. »Wer tut so etwas?«
»Der Entertainer.«
»Das ist ja noch perverser.«
Sir James hob die Schultern. »Was, zum Teufel, ist in dieser Stadt nicht pervers?«
»Stimmt, wenn sie es so sehen. Es wird nicht der erste Mord der Bestie gewesen sein. Man kann bestimmt schon etwas sagen.«
Sir James rieb sein Kinn. »Nur schwer. Aber man geht davon aus, daß es ein Monster ist.«
Auch Suko hatte sich die Aufnahmen gründlich angeschaut. »Vielleicht ein Werwolf?«
»Ja, genau.«
Ich holte tief Luft. Sir James hatte sich kaum geirrt, denn solche und ähnliche Wunden kannten wir. Bill Werwolf konnte sie reißen, brauchte es aber nicht zu sein.
»Was sagen die Kollegen in Rio?«
»Die sind nach dem zwölften Mord ebenso ratlos wie nach dem ersten.«
»Zwölf Tote schon?«
»So ist es, John. Doch in Rio wird es die Statistik der Verbrechen kaum nach oben treiben. Dazu ist die Zahl noch zu gering. Leider müssen wir so denken.«
»Ich weiß, ich habe viel über Rio gehört.«
»Dieser Fall wäre auf uns auch nicht zugekommen, wenn es sich bei dem letzten Opfer nicht ausgerechnet um Walter Ingram gehandelt hätte, einen englischen Polizisten. Das hat die Behörden aufgeschreckt. Wir mußten informiert werden, und ich habe den brasilianischen Kollegen bereits Amtshilfe zugesagt.«
»Wir fliegen also«, murmelte Suko. »Nur würde mich interessieren, weshalb man den Killer als Entertainer bezeichnet. Können Sie mir da Auskunft geben, Sir?«
»Es ist irre, er bringt eben noch mehr Unterhaltung in die schlimme Szene.«
»Und eine Spur hat man nicht?« fragte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Sollte der Tater tatsächlich ein Werwolf sein, wird er sich nur bei Ausbruch der Dunkelheit verwandeln und ansonsten ein normales Leben führen. Das könnte noch jemandem aufgefallen sein, finde ich. Hat man in diese Richtung Forschungen betrieben?«
Sir James hob die Schultern. »Das glaube ich nicht, John. Wenigstens habe ich nichts dergleichen
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