Der entzauberte Regenbogen
Kinder aus Indien von skeptischen Einwanderungsbeamten festgenommen. Bevor es die DNA-Fingerabdrücke gab, gelang es diesen unglückseligen Menschen häufig nicht, ihre Abstammung nachzuweisen. Heute ist es einfach. Man braucht nur den mutmaßlichen Eltern eine Blutprobe zu entnehmen und eine bestimmte Gruppe von Genen mit den entsprechenden Genen des Kindes zu vergleichen. Das Urteil ist klar und eindeutig, ohne die Zweifel und Unbestimmtheiten, durch die qualitative Entscheidungen notwendig werden. Heute verdanken einige junge Briten ihre Staatsangehörigkeit der DNA-Technik.
Mit einer ähnlichen Methode wurden auch Skelette identifiziert, die man in Jekaterinburg gefunden hatte und in denen man die Überreste der ermordeten russischen Zarenfamilie vermutete. Prinz Philip, der Herzog von Edinburgh, der zu den Romanows in einer genau bekannten Verwandtschaftsbeziehung steht, spendete großzügig Blut, und mit seiner Hilfe konnte man nachweisen, dass es sich tatsächlich um die Knochen der ehemaligen russischen Herrscher handelte. Noch makaberer ist ein anderer Fall: Man bewies, dass ein in Südamerika exhumiertes Skelett der Überrest des KZ-Arztes und Nazi-Kriegsverbrechers Josef Mengele war, der allgemein nur «Todesengel» genannt wurde. DNA aus den Knochen wurde mit dem Blut von Mengeles noch lebendem Sohn verglichen, und damit konnte man die Identität des Skeletts belegen. In jüngerer Zeit erkannte man in einem in Berlin aufgefundenen Leichnam mit der gleichen Methode die Gebeine des Hitler-Stellvertreters Martin Bormann, dessen Verschwinden zu endlosen Legenden und Gerüchten Anlass gegeben hatte und der angeblich rund um die Welt sechstausendmal gesehen worden war.
Anders als die Bezeichnung «Fingerabdruck» vermuten lässt, ist unsere digitale DNA sogar noch charakteristischer für einen Menschen als das Muster der Leisten auf unseren Fingern. Dennoch ist der Name angemessen, denn wie richtige Fingerabdrücke, so bleiben auch DNA-Spuren häufig unabsichtlich am Tatort zurück. DNA kann man aus einem Blutfleck auf einem Teppich gewinnen, aus der Samenflüssigkeit, die man bei einem Vergewaltigungsopfer findet, aus einer getrockneten Kruste von Nasenschleim auf einem Taschentuch, aus Schweiß oder ausgegangenen Haaren. Die DNA aus einer solchen Probe vergleicht man dann mit der aus dem Blut, das man einem Verdächtigen abnimmt. Fast mit jedem gewünschten Wahrscheinlichkeitsniveau lässt sich etwas darüber aussagen, ob die Probe zu einer bestimmten Person gehört oder nicht.
Wo also liegt der Haken? Warum sind Indizien, die sich auf DNA stützen, umstritten? Was hat es mit diesen wichtigen Beweisen auf sich, dass es Anwälten gelingt, Geschworene zu ihrer falschen Interpretation oder Missachtung zu bewegen? Warum haben manche Gerichte in ihrer Verzweiflung schon zu dem extremen Mittel gegriffen, solche Beweise ganz und gar abzulehnen?
Es gibt drei große Kategorien möglicher Probleme, eine einfache, eine verwickelte und eine verrückte. Auf die verrückten und verwickelten Schwierigkeiten werde ich später zurückkommen, aber zunächst einmal gibt es bei allen Indizien die einfache – und sehr wichtige – Möglichkeit des menschlichen Versagens. Eigentlich sind es sogar viele Möglichkeiten, denn es besteht eine Fülle von Gelegenheiten für Fehler und sogar für Sabotage. Ein Röhrchen mit Blut kann falsch beschriftet sein – entweder aus Versehen oder weil man jemandem absichtlich etwas anhängen will. Eine Probe vom Tatort kann durch den Schweiß einer Laborassistentin oder eines Polizisten verunreinigt sein. Eine besonders große Gefahr sind solche Verunreinigungen, wenn man die geniale Vermehrungsmethode der Polymerasekettenreaktion (PCR) anwenden will.
Warum die Vermehrung wünschenswert ist, ist leicht einzusehen. Eine Schweißspur auf einem Gewehrkolben enthält verschwindend wenig DNA. Die DNA-Analyse ist zwar unter Umständen sehr empfindlich, aber man braucht dafür dennoch eine gewisse Mindestmenge an Material. Die höchst erfolgreiche Lösung bietet die Methode der PCR, die der amerikanische Biochemiker Kary B. Mullis 1983 erfand. Man geht dabei von der wenigen vorhandenen DNA aus und sorgt dafür, dass sie sich unabhängig von ihrer Sequenz immer und immer wieder verdoppelt, bis sie in vielen Millionen Kopien vorliegt. Aber wie bei allen Vermehrungsvorgängen vermehren sich mit der eigentlichen Information auch die Fehler. Verirrte DNA-Spuren aus dem Schweiß der Laborassistentin
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