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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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sich selbst «nützlich», weil er am Leben bleibt und neue Kopien seiner selbst herstellt. Diese Vorstellung ist unter dem Schlagwort «egoistische DNA» bekannt geworden, aber das ist ein wenig irreführend, denn nach meiner ursprünglichen Definition ist auch funktionsfähige DNA egoistisch. Deshalb nennen manche Leute den DNA-Schrott auch «ultraegoistische DNA».)
    Aber warum auch immer: Den DNA-Schrott gibt es, und zwar in üppigen Mengen. Da er nicht genutzt wird, steht es ihm frei, sich zu verändern. Nützliche Gene sind, wie wir bereits erfahren haben, in ihren Wandlungsmöglichkeiten sehr beschränkt. Die meisten Veränderungen (Mutationen) führen dazu, dass ein Gen weniger effizient arbeitet, sodass das Tier stirbt und die Veränderung nicht weitergegeben wird. Das ist der Kern der natürlichen Selektion. Aber Mutationen im DNA-Schrott (bei denen es sich meist um eine veränderte Zahl der Wiederholungseinheiten in einem bestimmten Abschnitt handelt) bemerkt die natürliche Selektion nicht. Wenn wir uns also in der Bevölkerung umsehen, finden wir die Variationen, die für die DNA-Fingerabdrücke nützlich sind, zum größten Teil in den sinnlosen Abschnitten. Und wie ich gleich darlegen werde, sind insbesondere die Tandemwiederholungen nützlich, weil bei ihnen die Zahl der Wiederholungseinheiten schwankt, eine auffällige Eigenschaft, die man leicht messen kann.
    Gäbe es sie nicht, müsste sich der forensische Genetiker in dem ausgewählten Abschnitt die genaue Basensequenz ansehen. Das ist zwar möglich, aber sehr zeitaufwendig. Die Tandemwiederholungen ermöglichen eine hübsche Abkürzung – das entdeckte Alec Jeffreys von der Universität Leicester, der zu Recht als Vater der DNA-Fingerabdrücke gilt (und sich heute Sir Alec nennen darf). Einzelne Menschen haben an bestimmten Stellen eine unterschiedliche Zahl von Tandemwiederholungen. Bei mir wiederholt sich ein bestimmtes Stück Unsinn vielleicht 147-mal, bei einem anderen Menschen ist das gleiche Stück an dem entsprechenden Ort im Genom nur 84-mal vorhanden. In einem anderen Bereich besitze ich vielleicht 24 Wiederholungen eines bestimmten Stückes Unsinn, bei dem anderen sind es 38. Jeder Mensch hat einen charakteristischen Fingerabdruck, der aus einer Reihe von Zahlen besteht. Und jede Zahl in einem Fingerabdruck besagt, wie oft sich ein bestimmtes Stück Unsinn im Genom wiederholt.
    Unsere Tandemwiederholungen erben wir von unseren Eltern. Jeder Mensch besitzt 46 Chromosomen, 23 vom Vater und 23 homologe oder entsprechende Chromosomen von der Mutter. In ihnen sind auch die Tandemwiederholungen enthalten. Der Vater hat seine 46 Chromosomen von den Großeltern väterlicherseits erhalten, gibt sie aber nicht vollständig an seine Nachkommen weiter. Jedes Chromosom seiner Mutter hat sich neben das väterliche Gegenstück gelegt, und dann wurden Stücke zwischen beiden ausgetauscht; erst danach wanderte ein neu zusammengesetztes Chromosom in die Samenzelle, aus der das Kind entstanden ist. Jede Samen- und Eizelle ist einzigartig, denn sie enthält jeweils eine einzigartige Kombination mütterlicher und väterlicher Chromosomen. Die Vermischung wirkt sich auf die Abschnitte mit den Tandemwiederholungen ebenso aus wie auf die sinnvollen Teile der Chromosomen. Die charakteristische Zahl der Tandemwiederholungen erben wir also eigentlich auf die gleiche Weise wie Augenfarbe und lockige Haare. Es gibt nur einen Unterschied: Während die Augenfarbe durch eine Art gemeinsames Machtwort von väterlichen und mütterlichen Genen entsteht, ist die Zahl der Tandemwiederholungen eine Eigenschaft der Chromosomen selbst, und deshalb kann man sie für väterliche und mütterliche Chromosomen getrennt messen. In jedem einzelnen Bereich mit Tandemwiederholungen gelten für jeden von uns zwei Zahlen: eine für die Zahl der Wiederholungen im väterlichen, die andere für den entsprechenden Wert im mütterlichen Chromosom. Von Zeit zu Zeit spielt sich in der Zahl der Tandemwiederholungen eine Mutation ab – die Chromosomen machen eine zufällige Veränderung durch. Oder aber ein solcher Bereich wird durch Überkreuzen der Chromosomen aufgeteilt. Das ist der Grund für die unterschiedliche Zahl von Tandemwiederholungen in der Bevölkerung. Das Schöne dabei ist, dass sich diese Zahl einfach messen lässt. Man braucht sich nicht mit der aufwendigen Sequenzierung der DNA-Basen aufzuhalten, sondern man tut etwas, das dem Wiegen vergleichbar ist. Oder, um eine

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