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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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einer weiteren raffinierten Methode, die man nach ihrem Erfinder Edward Southern als Southern Blot bezeichnet. (Ein wenig verwirrend ist, dass es auch zwei andere Methoden namens Northern Blot und Western Blot gibt, aber weder einen Mr.   Northern noch einen Mr.   Western.) Man nimmt die Geleesäule aus dem Rohr und legt sie auf Löschpapier. Nun sickert die Flüssigkeit aus dem Gelee (und mit ihr auch die DNA-Fragmente) in das Papier; dieses hat man vorher mit einer ausreichenden Menge der radioaktiven Sonde beladen, die spezifisch die gesuchte Tandemwiederholung erkennt. Die Moleküle der Sonde verteilen sich auf dem Löschpapier und paaren sich nach den normalen, für jede DNA geltenden Regeln mit ihren Gegenstücken in den Tandemwiederholungen. Anschließend wäscht man überschüssige Sondenmoleküle ab. Jetzt befinden sich nur noch diejenigen Moleküle der radioaktiven Sonde auf dem Löschpapier, die an ihr genaues, aus dem Gelee stammendes Gegenstück gebunden sind. Als Nächstes legt man das Papier auf einen Röntgenfilm, der dann von der Radioaktivität geschwärzt wird. Nach dem Entwickeln des Films sieht man eine Reihe schwarzer Banden – wiederum einen Strichcode. Dieses Strichmuster, das man vom Southern Blot ablesen kann, ist ein Fingerabdruck eines Menschen, ganz ähnlich wie die Fraunhofer-Linien der Fingerabdruck eines Sterns und die Formantenlinien der Fingerabdruck eines Vokals sind. Tatsächlich sieht der Strichcode aus dem Blut den Fraunhofer- oder Formantenlinien sehr ähnlich.
    In ihren Einzelheiten ist die Herstellung von DNA-Fingerabdrücken sehr kompliziert, und ich möchte hier nicht weiter darauf eingehen. Ein Verfahren besteht zum Beispiel darin, dass man die DNA mit zahlreichen Sonden gleichzeitig behandelt. Dann erhält man eine Mischung verschiedener Streifen. Im Extremfall gehen die Streifen ineinander über, und man sieht nur noch einen großen «Schmier» mit DNA-Fragmenten aller möglichen Größen, die von irgendwelchen Stellen im Genom stammen. Für Identifizierungszwecke eignet sich so etwas natürlich nicht. Das andere Extrem ist die Verwendung einer einzigen Sonde, mit der man einen genetischen «Locus» untersucht. Solche «Einzellocus-Fingerabdrücke» bestehen aus fein säuberlichen Streifen ähnlich den Fraunhofer-Linien, aber man erhält dabei von einem Menschen nur einen oder zwei Balken. Dennoch besteht nur eine geringe Gefahr, dass zwei Personen verwechselt werden. Die Eigenschaften, um die es hier geht, sind nämlich nicht mit «braunen Augen» oder «blauen Augen» zu vergleichen, die bei vielen Menschen vorkommen. Wie gesagt: Das Merkmal, das wir hier messen, ist die Länge der Fragmente mit Tandemwiederholungen. Dabei sind sehr viele verschiedene Längen möglich, sodass schon die Einzellocus-Fingerabdrücke zu einer recht guten Identifizierung führen. Sie reicht aber noch nicht ganz aus, und deshalb verwendet man in der forensischen Praxis meist ein halbes Dutzend verschiedener Sonden. Dann ist die Fehlerwahrscheinlichkeit wirklich sehr gering. Aber immer noch müssen wir uns mit der Frage befassen, wie gering sie eigentlich ist, denn davon hängt unter Umständen das Leben oder die Freiheit von Menschen ab.
    Zunächst müssen wir noch einmal zu der Unterscheidung zwischen falsch-positiv und falsch-negativ zurückkehren. Mit DNA-Analysen kann man einen unschuldig Verdächtigten entlasten oder einen Schuldigen überführen. Angenommen, man hat ein wenig Samenflüssigkeit aus der Scheide eines Vergewaltigungsopfers. Die Polizei nimmt aufgrund anderer Indizien einen Verdächtigen A fest. A lässt sich eine Blutprobe entnehmen, und diese wird mit der Samenprobe verglichen, wobei man mit einer einzigen DNA-Sonde einen einzigen Locus mit Tandemwiederholungen untersucht. Unterscheiden sich die beiden, ist A fein heraus. Dann braucht man keinen zweiten Locus mehr zu analysieren. Aber wie steht es, wenn das Blut von A an dieser Stelle mit der Samenprobe übereinstimmt? Angenommen, bei beiden zeigt sich das gleiche Strichmuster, das wir hier Muster M nennen wollen. Dann könnte der Verdächtige zwar schuldig sein, aber bewiesen ist es noch nicht. Es wäre auch denkbar, dass er nur rein zufällig das gleiche Muster M besitzt wie der wirkliche Vergewaltiger. Wir müssen also weitere Loci untersuchen. Wenn wir nun auch hier Übereinstimmungen finden, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass es sich wiederum um Zufall handelt – um eine falsch-positive

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