Der entzauberte Regenbogen
andere Analogie zu verwenden: Man fächert sie auf wie ein Prisma die farbigen Streifen. Eine Methode, mit der man das tun kann, möchte ich genauer erläutern.
Zunächst sind ein paar Vorarbeiten erforderlich. Man stellt eine so genannte DNA-Sonde her; das ist ein kurzes Stück DNA aus höchstens 20 Basen, deren Reihenfolge genau der unsinnigen Sequenz entspricht, die man untersuchen möchte. Solche Sonden zu produzieren, ist heutzutage nicht mehr schwierig. Es gibt dazu mehrere Methoden, und man kann sogar eine Maschine kaufen, die kurze DNA-Sequenzen ganz nach Belieben fix und fertig erzeugt, genau wie man eine Tastatur kaufen kann, die jede beliebige Buchstabenfolge auf einen Papierstreifen druckt. Wenn man einen solchen Syntheseapparat mit radioaktivem Ausgangsmaterial füttert, wird auch die Sonde selbst radioaktiv – sie ist «markiert». Solche markierten Sonden findet man später leichter wieder, denn natürliche DNA ist nicht radioaktiv, sodass man beide ohne weiteres auseinander halten kann.
Radioaktive Sonden sind in der Branche ein beliebtes Handwerkszeug, und man muss sie zur Hand haben, bevor man mit Jeffreys Fingerabdruckverfahren beginnt. Ein weiteres unentbehrliches Hilfsmittel ist das «Restriktionsenzym». Restriktionsenzyme sind chemische Handwerkszeuge, mit denen man DNA ganz gezielt an bestimmten Stellen schneiden kann. Ein solches Enzym sucht beispielsweise das Chromosom ab, bis es die Sequenz GAATTC findet. (G, C, T und A sind die vier Buchstaben des DNA-Alphabets; alle Gene aller biologischen Arten auf der Erde unterscheiden sich nur dadurch, dass sie diese vier Buchstaben in jeweils anderer Reihenfolge enthalten.) Ein anderes Restriktionsenzym schneidet die DNA immer da, wo es auf die Sequenz GCGGCCGC trifft. Die Molekularbiologen haben in ihrem Werkzeugarsenal eine ganze Reihe von Restriktionsenzymen. Die Enzyme stammen ursprünglich aus Bakterien, die sie zur Selbstverteidigung einsetzen. Jedes Restriktionsenzym hat seine eigene Zielsequenz, die es sucht und dann schneidet.
Jetzt kommt der Trick: Man wählt ein Restriktionsenzym, dessen spezifische Erkennungssequenz in der fraglichen Tandemwiederholung völlig fehlt. Dann wird die DNA auf ihrer gesamten Länge in kurze Stücke zerschnitten, die jeweils von der charakteristischen Erkennungsstelle des Restriktionsenzyms eingerahmt sind. Natürlich bestehen nicht alle diese Stücke aus der gesuchten Tandemwiederholung. Auch alle möglichen anderen Abschnitte der DNA sind zufällig durch die bevorzugte Sequenz des Schneideenzyms begrenzt. Aber ein paar von ihnen enthalten Tandemwiederholungen, und die Länge jedes derartigen Abschnitts hängt im Wesentlichen von der Zahl der darin enthaltenen Wiederholungseinheiten ab. Besitze ich 147 Exemplare eines bestimmten Stückes unsinniger DNA, wo ein anderer nur 83 hat, sind meine herausgeschnittenen Fragmente entsprechend länger. Die charakteristische Länge solcher Fragmente kann man mit einer Methode messen, die in der Molekularbiologie schon seit relativ langer Zeit sehr beliebt ist. Sie ist derjenige Teil des Verfahrens, der ein wenig Newtons Auffächern des weißen Lichtes mit einem Prisma ähnelt. Das übliche «Prisma» für die DNA ist eine Gelelektrophorese-Säule, ein langes Rohr mit einer geleeartigen Substanz, durch die man elektrischen Strom fließen lässt. An einem Ende des Rohres bringt man die Lösung mit dem Gemisch geschnittener DNA-Abschnitte auf. Sie werden von dem positiven Pol der Säule am anderen Ende des Rohres angezogen und wandern allmählich durch das Gelee. Dabei bewegen sie sich aber nicht alle gleich schnell. Wie Licht mit geringer Schwingungsfrequenz, das durch Glas fällt, so kommen auch kleine DNA-Fragmente schneller voran als große. Die Folge: Wenn man nach einem geeigneten Zeitraum den Strom abschaltet, haben sich die Fragmente über die ganze Länge der Säule verteilt wie Newtons Farben, die sich aufspalteten, weil Licht vom blauen Ende des Spektrums durch das Glas stärker gebremst wird als solches vom roten Ende.
Aber noch können wir die Fragmente nicht erkennen. Die Geleesäule sieht auf ihrer ganzen Länge gleich aus. Nichts weist darauf hin, dass an ihr entlang in getrennten Banden unterschiedlich große DNA-Fragmente verborgen sind, und nichts zeigt uns, welche Bande welche Form von Tandemwiederholungen enthält. Wie machen wir sie sichtbar? Dazu dient die radioaktive Sonde.
Um die gewünschten Fragmente sichtbar zu machen, bedient man sich
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