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Der Erbe Dschainas

Titel: Der Erbe Dschainas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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Standardmenschen leicht zu behandeln gewesen, weniger leicht jedoch bei einem Outlinker, wenn man an die Mittel dachte, die Mika hier zur Verfügung standen. Sogar der gebrochene Knöchel hatte Mika Probleme bereitet – die übliche Knochenschweißtechnik reichte nicht für die Wiederherstellung der zerbrechlichen Outlinker-Knochen; deshalb hatte Mika einen Autodokschuh herstellen müssen, der den langsamen Heilungsvorgang überwachte.
    Letztlich lief alles auf praktische Erwägungen hinaus. Obwohl es für Mika nicht einfach war, den Schädelbruch der Frau und die daraus resultierende Thrombose zu behandeln, so war es doch keinesfalls unmöglich. Falls Mika sich selbst gegenüber völlig ehrlich war, dann war sie dieser lästigen Aufgabe nur deshalb aus dem Weg gegangen, damit sie mehr Zeit für die Erforschung des von Cormac getöteten Mensch-Calloraptor-Mischwesens hatte. Das war allerdings unfair gegenüber dem Jungen, denn obwohl Apis für einen Teenager ziemlich reif wirkte, hatte er einige schreckliche Erfahrungen gemacht und befand sich jetzt unter Fremden. Er brauchte seine Mutter.
    Mika steckte das optische Kabel ihres Laptops in den Kältesarg der Frau und wartete ungeduldig darauf, dass der Bildschirm die Statusliste zeigte. Einen Augenblick später sah sie sich um, um sicherzugehen, dass sie niemanden übersehen hatte, und redete dann laut:
    »Wer bist du?«, fragte sie. »Was ist das? Warum geschieht das? Wie machst du das?« Für normale Polis-Bürger war es so leicht, direkte Fragen zu stellen, aber den Absolventen des Lebenskovens kam es so schwierig und unnatürlich vor. Das Ideal lautete, dass man alle verfügbaren Ressourcen – einschließlich des eigenen Verstandes – nutzte, um Antworten zu erhalten, und Fragen stellen zu müssen, das galt als eine Art Niederlage. In Fällen, die keine andere Möglichkeit ließen, lehrte der Lebenskoven, dass man dann fragen durfte – was ja alles ganz gut und schön gewesen wäre, hätte man das Konzept des Nichtfragens vorher nicht von Kindesbeinen an eingeimpft bekommen. Mika fand allmählich heraus, wie falsch ihre frühe Ausbildung in dieser Hinsicht gewesen war, und versuchte neu zu lernen.
    »Wo ist dieser Gegenstand? Verfügst du über diese Fähigkeit? Bist du …?« Sie brach ab, als ihr klar wurde, dass die Statusliste wirklich furchtbar lange brauchte, um auf dem Monitor zu erscheinen. Rasch startete sie das Eigendiagnose-Programm des Laptops und erfuhr sofort, dass mit dem Gerät selbst alles in Ordnung war. Jetzt schickte sie eine Suchmaschine durch den Speicher der Konsole, um die optische Verbindung zu finden. Kurz leuchtete irgendein sehr komischer Code auf dem Monitor auf, gefolgt von der Meldung ›Kein Signal‹. Stirnrunzelnd stellte Mika das Gerät auf den Kälteschlafsarg und folgte dem Gang zur Instrumentenwand. Hier lief der gleiche seltsame Code über alle vier Bildschirme. Sie probierte die Sensortastatur, und der Code verschwand, aber darüber hinaus erzielte sie keinerlei Reaktion.
    Als sie zum Kältesarg zurücklief, hatte Mika ein flaues Gefühl im Magen. Probleme mit Kälteschlafsärgen? Nie gehört – diese Geräte hatten einfach keine Probleme. Sie schnappte sich ihren Laptop, trennte rasch die Verbindung zur Konsole, steckte das optische Kabel in den Laptop zurück und platzierte das Gerät auf dem Kältesarg hinter ihr. Sie probierte das Sensortafelschloss auf dem Deckel des ersten Sargs: keine Reaktion. Jetzt blieb nur noch der Handhebel – egal, wie viele Alarmsirenen er auslöste. Mika packte das kalte Metall und zog es auf sich zu, und mit einem dumpfen Schlag öffnete sich das Schloss und klappte der Deckel seufzend auf. Als Mika die Outlinker-Frau betrachtete, wusste sie sofort, dass eine schreckliche Störung vorlag: die Haut war leicht lavendelfarben gewesen, als Mika die Frau aus dem Landungsboot geholt hatte, inzwischen jedoch ganz dunkel. Im Regelfall wirkten Menschen im Kälteschlaf farblos, bleich, einfach weil das Blut abgesaugt und durch eine klare Flüssigkeit ersetzt wurde. Diese Frau hätte blutleer sein müssen, war es aber nicht. Mika legte ihr die Hände auf die Brust. Nichts. Mit panischer Kraft packte Mika sie und zog sie an sich heran. Die Leichenstarre war eingetreten. Die Rückseite war dunkelrot verfärbt, wo sich das Blut im unteren Teil der Leiche gesammelt hatte – denn damit hatte es Mika jetzt zu tun: einer Leiche. Mika ließ die Frau zurück in den so passend benannten Behälter

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