Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
hin. Wenn du nichts anderes vorhast, könntest du mir helfen, die Erdbeeren abzudecken. Gibt es“, er warf einen schnellen Blick über seine Schulter und senkte die Stimme, „etwas Neues?“
„ Ich habe den Telefonanschluss von Gearóid Callaghan gecheckt. Viel hat’s nicht gebracht. Er verbringt zu Hause bloß wenig Zeit mit Anrufen oder im Internet. Während der letzten beiden Jahre erhielt er zwar von überall aus der Welt Anrufe, aber er selber hat nicht einen dorthin getätigt.“
„Vielleicht ist er zu geizig und nutzt das Telefon im Theater. Konntest du feststellen, von wem er angerufen wurde?“
„Die Anrufe aus dem Ausland kamen ausschließlich von öffentlichen Fernsprechstellen oder aus Hotels und nie mehr als zwei vom selben Ort. Das kann natürlich pure Absicht sein, allerdings tippe ich eher auf irgendwelche Freunde, die sich aus dem Urlaub meldeten und bloß mal auf die Schnelle ‚Hallo’ sagen wollten.“
„ Was ich von unserem Briefträger erfahren habe, ist genauso wenig hilfreich. Er hat sich mit einem Kollegen in Tralee unterhalten und der war überzeugt, dass Gearóid kaum Post bekommt, zumindest nichts Außergewöhnliches, ein paar bunte Urlaubskarten, Rechnungen, Werbung und all so was.“
„Es deutet nicht das Geringste darauf hin, dass Gearóid in regelmäßigem Kontakt zu seinem Bruder steht.“
„Was nicht heißen muss, dass sie nicht trotzdem einen Weg gefunden haben, in Kontakt miteinander zu treten. Über Internet geht ja eine ganze Menge, wie ich inzwischen mitbekommen habe.“ Er raufte sich die Haare und holte tief Luft. „Alicia, ich weiß, was alle denken, und nehme es dir nicht übel, wenn du es mir auf den Kopf zu sagst. Ich sollte die ganze Sache besser vergessen, nicht wahr? Du investierst dermaßen viel Zeit und Mühe und bewegst dich am Rand des Legalen. Oder schon einen Schritt weiter. Und unterm Strich kommt nicht das Geringste dabei heraus. Betty Jane wird es ohnehin nicht wieder zurückbringen.“
„ Was willst du … Ean, soll das heißen, du willst aufgeben?“
„Ich … natürlich nicht. Ich will nur nicht, dass du dich aus irgendeinem Grund verpflichtet fühlst, mir zu helfen. Ich will nicht, dass du dich in Gefahr bringst, wegen … wegen eines Phantoms, dem ich hinterherjage.“
„ Glaubst du, ich hätte irgendwelche Skrupel, dir zu sagen, es sei sinnlos, wenn ich dieser Meinung wäre? Was denkst du, weshalb ich das hier tue? Aus Langeweile? Oder gar aus Mitleid mit dir?“
Instinktiv zog Ean den Kopf ein, als er Alicia mit zornrotem Gesicht auf sich zu stiefeln sah , und hob die Hände zu einer beruhigenden Geste. „Gestern das, der Überfall, war das Werk eines Irren, Kleine. Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Nicht auch noch dir, verstehst du?“
21. Kapitel
Manuel stand in der Eingangshalle und besprach mit Áine und Fearghais die letzten Details für den Abend, als Alicia aus ihrem Zimmer auf die Galerie hinaus trat. Unbewusst hielt sie den Atem an, während sie Susannes ältesten Sohn musterte. Sie beugte sich vorsichtig etwas weiter vor, um ihn besser betrachten zu können, ohne dass er gleich auf sie aufmerksam wurde. Im Abendanzug machte er eine ausgesprochen elegante und attraktive Figur.
Noch attraktiver als sonst, berichtigte sie sich. Sein Smoking saß wie angegossen, die schwarze Krawattenschleife war perfekt gebunden. Als wäre er in diesem Anzug geboren worden, trug er ihn mit der für ihn typischen, überwältigend arroganten Lässigkeit. Seine wilde Haarmähne sah heute gebändigter aus, obwohl er sich nach wie vor dem längst überfälligen Friseurbesuch widersetzte. Passend zu dem Haus, welches sie als Kind als Schloss bezeichnet hatte, wirkte er wie ein Prinz. Und ja, als Frau fühlte sie sich von seinem traumhaften Äußeren und diesem fein gemeißelten Gesicht, das Frauen vor Verlangen wimmern ließ, angezogen.
Mit ruhiger Stimme und souveränem Auftreten, welches einem General alle Ehre gemacht hätte, gab er seine Anweisungen. Hatte jetzt der Schiffsoffizier in ihm das Kommando übernommen oder ging er allmählich in seiner Rolle als der Erbe von Sean Garraí auf? Er fühlte sich viel zu wohl und wirkte viel zu sehr wie ein Teil der reichen und privilegierten Umgebung, um lediglich Seemann zu sein. Und es stand ihm gut.
Unvermittelt drehte er sich um und schaute zu ihr empor. Er hob eine Augenbraue und verzog den Mund in der leichten Andeutung eines Lächelns, als hätte er die ganze Zeit über
Weitere Kostenlose Bücher