Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Recht, den Schuldigen am Tod meiner Familie zu suchen? Dass ich mich damit abfinden soll, dass da draußen einer rumläuft und sein Leben genießt, während Betty Jane … und meine Jungs … Warum tust du mir das an? Warum stellst du alles infrage?“
„ Weil ich nicht will, dass du etwas tust, das du später bereust.“
Er stie rte sie wortlos an. Sein Gesicht wurde hart wie Stein, seine Hand leblos. Kalt.
„Du erwarte st also, dass ich diesen Mord auf sich beruhen lasse? Dass ich mich raushalte aus den Ermittlungen, die schon längst zu den Akten gelegt worden sind? Die Hände in den Schoß lege und den Mörder laufen lasse?“
„Ich möchte nicht, dass du dich in etwas verrennst.“
„Bist du gekommen, um an mir herumzumäkeln?“
„Ich mäkle nicht. Ich mache mir Sorgen um dich, Ean.“
„Nicht nötig. Ich brauche weder deine Hilfe noch Mitleid. Das hier geht dich nichts an.“
Verwirrt und gekränkt zugleich wandte sie sich ab und hielt sich an ihrer Tasse Kaffee fest. Sie fühlte sich in diesem Moment unendlich müde und alt, viel zu schwach zum Kämpfen, weil die Auseinandersetzung mit Ean ihre eigenen Wunden aufriss.
„ Hast du immer noch nicht begriffen, dass es mich sehr wohl etwas angeht? Ich habe Betty Jane ebenfalls gekannt und geliebt. Und du bist mir verdammt wichtig, Ean. Was ist mit deiner Tochter? Glaubst du, sie trauert nicht auch um ihre Familie? Und die Jungs oben brauchen dich ebenfalls. Sie schaffen die Arbeit nicht ohne deine Hände und deine Erfahrung. Du kannst uns nicht hängen lassen.“
Er schluckte betreten und murmelte: „Vermisst du Mat? Die ganze Zeit?“
S use hielt die Luft an, dann atmete sie vorsichtig aus. „Ja.“ Und wieder ein. „Immer wieder und jeden Tag aufs Neue. Matt’n und Adrian. Beate und Catherine. Es hört nie auf, niemals.“
Sein Hals schien wie zugeschnürt. Tränen brann ten in seinen Augen. „Ich vermisse sie ebenfalls. Mat und Betty Jane und die Zwillinge. Sie fehlen mir überall, dabei habe ich die Kleinen gar nicht richtig gekannt. Gleichwohl stelle ich mir ständig vor, was ich alles mit ihnen hätte anstellen können, was aus ihnen hätte werden können. Ich hatte so viele Pläne. Träume. Erwartungen. Alles pfutsch. Du kennst sicher den Spruch von John Lennon: Leben ist das, was passiert, während du gerade andere Pläne machst. Wie Recht er doch hatte.“
„ Wenn ein Kind stirbt, hebt das deine Welt aus den Angeln, denn dann stirbt ausgerechnet der, dem die Zukunft gehören sollte. Dem du deine Liebe und Sorge, deine Zeit und Aufmerksamkeit schenken wolltest. Den zu behüten du bei seinem ersten Atemzug geschworen hast. Es kommt einem vor, als würde alle Hoffnung sterben. Es ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann.“
„Das ist es .“
„Ich habe akzeptiert, dass man das niemals verstehen wird. Es ist so ungerecht und es gibt keinen Trost für die Trauernden. Man ist völlig hilflos. Nicht nur ich, auch meine Freundin Karo hat zwei Babys nach der Geburt verloren, eine von uns Freundinnen und den Vater ihrer Kinder. Und obwohl da noch immer Lucas und Nicolas waren, um die sie sich hätte kümmern müssen, waren es zu viele Verluste innerhalb kurzer Zeit, der Schmerz über die Maßen groß, dass sie einfach nicht damit umgehen konnte. Sie war wie betäubt und handlungsunfähig vor Schock, in einem Schmerz jenseits aller Tränen gefangen, sodass jedem angst und bange wurde. Was bleibt denn noch von einem Gebäude, wenn alle Säulen wegbrechen? Zum Glück hatte sie Danilo, diesen wunderbaren Mann, der sie zu keiner Zeit aufgegeben hat, wenngleich der arme Kerl darüber ziemlich grau geworden ist. Und auch du bist nicht allein, Ean. Wir können die eingestürzten Säulen von deinem Haus nicht ersetzen. Aber, Ean, wir können ein neues Heim bauen und uns darin einrichten. Wir brauchen dich.“
E an nahm Suses Gesicht zwischen seine zitternden Hände und legte mit einem Seufzer seine Stirn an ihre. „Mat hat dich bis zur Selbstaufgabe geliebt. Himmel, und wie sehr er dich geliebt hat! Dabei hast du es ihm weiß Gott nicht leicht gemacht. Damals. Als du zu uns gekommen bist. Die Kämpfe, die ihr ausgetragen habt – wow! Im ganzen Dorf wurde bloß noch über euch gesprochen. Die einen glaubten, der Graf hätte endlich die verdiente Quittung für sein ausschweifendes Leben erhalten, während die anderen ihn als den furchtlosesten Mann auf Erden bewunderten und gleichzeitig bedauerten. Es war eine ziemlich harte Zeit
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