Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
sich beinahe davon überzeugt, dass er seinen Stolz für einen Moment überwinden könnte, um vor ihr auf ein Knie zu sinken. Seit gestern hatte sie genug Zeit gehabt, über die beiden Heiratsanträge nachzudenken und eine Entscheidung zu treffen. Ein letztes Mal noch wollte er ihr die Vorteile einer Verbindung mit ihm vor Augen führen und sie fragen. Sie musste einsehen, dass sie es bei ihm besser haben würde als bei diesem Arzt, der wegen irgendwelcher Notfälle ständig auf Achse war und sie mit dem Kind allein lassen würde. Mit seinem Kind!
Er stürzte das vierte – oder war es das siebte? – Glas Whiskey seine Kehle hinab. Es schmeckte nicht. Und er war leider immer noch nüchtern. Vollkommen nüchtern und der Schmerz in seiner Brust wütete weiter.
Verdammt, es war sein Kind! Er würde nicht zulassen, dass es unter einem fremden Dach aufwuchs! Dass es an der Hand eines Fremden seine ersten Schritte tat und einen Fremden daidi nannte.
Lediglich die Tatsache, dass in diesem Moment Missy McCrohan und Tara O’Farrell zur Tür hereingeschneit kamen und sich ein paar Tische weiter zu ihrer obligatorischen Tasse Nachmittagstee setzten, hielt ihn davon ab, mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass diese Schreckschrauben ihn hier entdeckten und sich möglicherweise bemüßigt fühlten, ihn in die Analyse der Katastrophen ihrer Privatleben und daraus abzuleitender Schlussfolgerungen für zwischenmenschliche Beziehungen im Allgemeinen und seine im Speziellen einzubeziehen. Da beide Frauen gleichzeitig redeten, konnte er nicht ganz folgen, schlagartig jedoch wurden sie mucksmäuschenstill und automatisch spitzte auch Manuel seine Lauscher. Aha, da war also die dritte und schlimmste aller Klatschbasen, Mary McClelland, im Anmarsch. Ihr Gesicht war vor Aufregung gerötet und mit einem Stöhnen ließ sie sich auf den Stuhl sinken.
„ Habt ihr das schon gehört? Also, das muss ich euch erzählen. Ich bin gerade Tríona Hearne beim Friseur …“
„Meinst du die Lehrerin?“
„Sie war Kindergärtnerin, Missy, keine Lehrerin. Ich sitze also dort und blättere solange in den Zeitungen, bis Eileen endlich damit fertig wird, Diana die Haare einzudrehen, weil Síle ausgerechnet heute in die Stadt zu ihrem Anwalt fahren musste, als Tríona Hearne hereingeschneit kommt und uns die Neuigkeit verkündet. Und sie muss es schließlich wissen, da sie schon von Berufs wegen viel mit Ray zu tun hat und er ziemlich redselig ist, der Gute. Also, was soll ich sagen? Uns steht eine Hochzeit ins Haus.“
„Eine Hochzeit? Aber Mary, das ist doch längst Schnee von gestern.“
Manuel s chüttelte abfällig den Kopf. Weiber!
„Inzwischen weiß es nämlich die gesamte Grafschaft. Mein Cousin wohnt in Fermoy und sogar der hat schon davon gehört.“
„Oh nein, das hat ganz bestimmt noch niemand gehört. Ich sage euch, das gibt einen Skandal, wie ihn Killenymore nie zuvor erlebt hat. Nicht seit damals, als Lord Tomás sich Deirdre genommen hat. Ihr werdet es nicht glauben! Der werte Herr Graf und Alicia …“
„… werden heiraten. Ich sagte doch, dass diese Nachricht schon einen solchen Bart hat.“
„Eben nicht. Das Mädchen wird ihn nicht heiraten.“
Manuels Kopf schoss mit einem Ruck in die Höhe. Um ihn herum schien die Luft zu brennen.
„ Sie will ihn nicht … Ja, aber wen denn sonst? Ach, jetzt kann ich es mir denken.“
„ Redest du etwa von unserem lieben Doktor?“
„Er wird unsere Alicia heiraten?“
„ So ein guter Junge, er musste sich wahrlich lange gedulden. Hat sie also endlich sein Flehen erhört. Es wurde Zeit, höchste Zeit.“
„Caitríona will ja bereits beim céilí oben auf dem Berg so etwas mitbekommen haben. Sie hat ihre Ohren vermutlich überall und ein Gedächtnis, das bis in die Steinzeit zurückreicht. Die Kleine und Ray kennen sich seit Jahren und sie behauptet, es natürlich schon immer gewusst zu haben, dass die beiden zusammengehören und sich eines schönen Tages finden werden.“
Sein Herz begann wild zu hämmern. Er versuchte tief durchzuatmen, aber etwas drückte ihm die Kehle ab. Er konnte es einfach nicht glauben. Sie konnten nicht Alicia gemeint haben! Ganz bestimmt nicht! Diese neugierigen Vetteln mussten doch wissen, dass sie sein Kind erwartete und er niemals ruhig zusehen würde, wenn es bei einem Fremden aufwuchs.
„Die Witwe McGowan hat Recht und auch damit, dass die beiden viel besser zusammenpassen als Alicia und dieser …
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