Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
schlimmer war, nach ihrer Zuneigung. Sie hatte ihn aus der Reserve gelockt und seine Schutzmauer zerstört. Er würde sich nie wieder für distanziert und anderen übe rlegen halten. Sie hatte ihm deutlich gemacht, dass er nichts anderes als ein verletzbarer Mensch war.
Unsicher streckte er die Hand aus und legte sie flach auf ihren Bauch. Er sah aus, als könnte er es noch immer nicht glauben. „Hier?“
„Mmmh, ich weiß nicht.“
„ Etwas höher vielleicht? Was wird das für ein Gefühl sein, wenn es sich bewegt? Ein richtiges Lebewesen und bloß, weil sich … nun ja … Es hat ja auch Spaß gemacht, nicht wahr? Wann wirst du es das erste Mal spüren?“ Und werde ich dann bei dir sein?
Er stand vor i hr, betrachtete sie nachdenklich und sein Gehirn war wie leergefegt. All die schönen Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, waren verschwunden. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr ein verlegenes Grinsen zu schenken.
„Was ist?“
„Lass mich deinen Koffer tragen.“ Er beobachtete, wie sich ihre Finger fester um den Griff schlossen. „Bitte, Alicia. Er ist zu schwer für dich.“
Zögernd reichte sie ihm das Gepäck.
„Wirst du … du wirst doch wiederkommen?“
„Ich habe noch keine Pläne gemacht.“
„Aber das …“ Er unterbrach sich. Nein, er hatte kein Recht, sie auf ihre Pflichten hinzuweisen. Seine Wangenmuskeln waren angespannt. Eine tiefe Falte furchte seine Stirn. Doch es waren seine Augen, die ihre Aufmerksamkeit fesselten, denn in ihren Tiefen blitzte etwas auf, das sie seit jener Nacht nicht mehr darin gesehen hatte.
Seit der Nacht vor Beltane, in der sie von Callaghan überfallen und verletzt worden war.
„Wovor hast du Angst?“, fragte sie leise.
„Ich möchte bei dir sein und dich beschützen.“ Manuel schaute ihr in die Augen, lieferte sich Alicia mit seiner ganzen Seele aus. „Du wirst dich bestimmt melden, falls es Probleme geben sollte? Ganz gleich, was es ist. Ich möchte dir helfen. Und du wirst mich … mein Kind sehen lassen?“
Der Kloß in seiner Kehle schwoll an und wollte ihn schier ersticken. „Ich will … Bitte erlaube mir, dass ich mich um euch kümmere. Ich kann nicht einfach so tun, als würdet ihr mich nichts angehen. Verstehst du , Alicia, ich ertrage es nicht, erneut einen Teil meiner Familie zu verlieren. Es ist, als würde ein Teil von mir gehen.“
Sie verließ ihn. Seine Enttäuschung über ihre Entscheidung hatte sich längst gelegt und war dem Schmerz um diesen Verlust gewichen. Nichts war mehr wie zuvor, seit sie in sein Leben getreten war. Er hasste die Vorstellung, ohne sie auf Sean Garraí zurückzubleiben. Das klang vermutlich ebenso schmalzig wie lächerlich und doch war es genau so.
Aber s ie wollte nicht bei ihm bleiben. Wenn sie auch nur ein bisschen für ihn übriggehabt hätte, wäre es ihr sicher schwerer gefallen, ihn zu verlassen. Sie zog die Unsicherheit eines Lebens als alleinerziehende Mutter einer Ehe mit ihm vor. Er zwang sich langsam zu atmen, bis die Qualen erträglicher wurden. War er wirklich so unausstehlich? Wenn Alicia jetzt ging, was sollte er dann mit seinem Leben anfangen? Sie war doch längst zu einem Teil davon geworden.
„Was beunruhigt dich bei dem Gedanken, dass wir heiraten?“
„Lass uns diese Diskussion nicht noch einmal von vorn beginnen. Davon wird es für niemanden von uns leichter, Manuel. Es ist alles gesagt.“
Was natürlich nicht der Wahrheit entsprach, a llerdings wollte sie ihm nicht länger einen Vorwurf daraus machen, dass er diesen einen Satz nicht ausgesprochen hatte.
„Abgesehen von diesem Kind haben wir nicht allzu viel gemeinsam. Wir waren zu lange auf uns allein gestellt, als dass wir uns jetzt einem anderen unterordnen könnten. Die Leidenschaft, die wir füreinander empfinden, wird nachlassen und zur Gewohnheit werden. Und wenn sie schließlich der Langweile Platz macht, werden wir uns hassen für das Gefängnis, in das wir uns mit einem überstürzten Jawort begeben haben. Außerdem wäre es für mich die Hölle auf Erden, mit einem Mann verheiratet zu sein, der gar nicht lieben kann.“
„Nicht lieben?“ Er beugte sich vor und sah ihr anklagend in die Augen. „Woher willst du das wissen? Du hast uns nicht einmal eine Chance gegeben, es herauszufinden.“
„Dein bisheriges Leben, dein Verhalten deiner Familie gegenüber, alles an dir warnt die Welt, dir aus dem Weg zu gehen, obwohl du der einsamste Mensch bist, der mir je begegnet ist. Du hast dich jahrelang
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