Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
sich um sie legten, und ließ ihren Kopf gegen seine Brust sinken. Der für ihn typische Geruch nach gestärkten Hemden und Rasierwasser, vermischt mit einem Hauch Desinfektionsmittel, hatte ihn verraten.
„Das sagst ausgerechnet du! Ich schlafe schon viel besser, ehrlich. Manuel hat sich eben verabschiedet und da habe ich überlegt, ob ich ebenfalls gehen sollte.“
„Zu ihm?“
„Zu mir“, erklärte sie in bewundernswert geduldigem Ton.
„Nimmst du mich mit?“
Sie wandte sich zu Ray um und er hob begütigend die Hände.
„Hast du Angst, ich würde allein mein Zimmer nicht mehr finden? Na dann“, sie hakte sich fröhlich bei ihm unter, „komm mit und beschütze mich auf dem Weg nach oben.“
„ Wie geht es mit deiner Arbeit voran?“
„ Ach, Ray, was für eine Frage! Es ist ein Uhr morgens, ich habe mindestens einen Liter Bowle intus, außerdem drei Sahnetörtchen, ein halbes Spanferkel und einen Teller Stew und da willst du mich nach meiner Arbeit ausfragen?“
„Ich wollte nichts als höfliches Interesse heucheln.“
„ Lügner! Du bist von Natur aus höflich und interessiert an dem, was die Menschen in deiner Umgebung tun. Was wolltest du wirklich?“
„ Das weißt du ganz genau.“
Ihr Seufzer bestätigte seine laut geäußerte Vermutung, aber ebenfalls, dass sie seinen Wunsch nicht erfüllen würde. Zumindest nicht heute.
„ Wann hast du einmal mehr Zeit für mich als einen kurzen Moment zwischen Tür und Angel? Mehr Zeit als für einen Tanz oder Blicke über den Tisch hinweg?“
„Wenn du dir einbildest, ich würde noch ein einziges Mal in deiner Räuberhöhle saubermachen, hast du dich gewaltig geschnitten.“
„Alicia …“
„Schon gut. Es hat mir in Wirklichkeit nie etwas ausgemacht. Weil ich nämlich genau wusste, dass du dich hinterher immer mit den schönsten Überraschungen bei mir bedankst.“
Seine Ohrenspitzen liefen vor Verlegenheit rot an.
„Inzwischen habe ich genügend Material zusammengetragen, um mich ans Schreiben machen zu können. Doch, ich bin zufrieden mit dem, was ich bisher geschafft habe.“
„ Darf ich also hoffen, dass du in absehbarer Zeit Lust verspüren könntest, ganz spontan alles stehen und liegen zu lassen, damit ich dich am Wochenende von hier entführen kann? Mir stehen zumindest einmal im Monat zwei zusammenhängende freie Tage zu.“
Ray schmunzelte und überspielte sein Verlangen, sie mehr als bloß freundschaftlich in seine Arme zu nehmen, mit der laxen Bemerkung: „Es sei denn, es fallen wieder ein paar Kinder von den Bäumen und halten mich auf Trab.“
„ Ich könnte es schaffen, bis Samstag ein Kapitel für meine Arbeit zu beenden. Dann dürfte einer Pause nichts im Wege stehen.“
„ Die solltest du dir unbedingt gönnen. Die Ringe unter deinen Augen werden immer dunkler. Und von deinem kleinen, süßen Hintern ist kaum noch etwas zu sehen. Alicia, du bist nach Killenymore gekommen, um dich zu erholen“, erinnerte er sie mit sanftem Tadel in der Stimme.
„ Nein, mein Lieber, ich wollte meine Ruhe haben. Und zwar Ruhe zum Arbeiten. Das macht einen gewaltigen Unterschied. Du musst dir keine Sorgen um mich machen, Ray. Es geht mir gut.“
„ Selbst wenn du es nicht hören willst: Ich liebe dich, Alicia“, beschwor er sie. „Und deswegen werde ich mir immer Sorgen um dich machen.“
Und hinter der Tür wich Manuel bis zur Wand zurück, fuhr sich mit den Händen über das bleiche Gesicht und wünschte, er hätte das nicht gehört.
Das war genau der Ärger, mit d em er hätte rechnen müssen! Hatte er sich eingebildet, eine intelligente, hübsche Frau wie Alicia würde lediglich auf einen Versager wie ihn warten, um alles um sich zu vergessen und sich in seine Arme zu werfen? Was für ein Narr er doch war!
Mit müden Schritten schleppte er sich zu seinem Zimmer. Er konnte sich nicht erklären, warum ihm das Geständnis des charismatischen Doktors derart zusetzte. Vermutete er nicht längst, die beiden könnte mehr als Freundschaft verbinden? Außerdem hatte er nicht das geringste Interesse an Alicia.
Höchstens ein wenig …
Die Vorstellung, sie in seinem Bett zu haben, hatte etwas durchaus Reizvolles an sich und ließ ihn während der nächsten Stunde nicht zur Ruhe kommen.
13. Kapitel
„Manuel?“
Er wirbelte herum. Im gleichen Moment erlosch das erwartungsfrohe Strahlen auf seinem Gesicht wie das Licht einer ausgeblasenen Kerze. Die Enttäuschung drückte seine Schultern nach unten, als er sie
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