Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Quelle gibt? Vorsicht, da ist eine Wurzel.“
Ein dumpfes Geräusch und unterdrücktes Stöhnen zeigten an, dass ihre Warnung zu spät kam und Manuel die aus dem weichen Boden ragende Wurzel nicht bemerkt hatte.
„ Mmpf.“
„ Du hast es nicht gewusst? Eigentlich kein Wunder, sie ist wirklich nicht leicht zu finden. Ich war viele Male hier oben, ohne sie entdeckt zu haben, bis ich eines Tages plötzlich davor stand. Ich kann nicht mal sagen, was ich an genau dieser Stelle gesucht habe oder ob ich zufällig darauf gestoßen bin. Manchmal glaube ich sogar, dass sie sich mir nicht eher zeigen wollte.“ Sie amüsierte sich mit einem sanften Lächeln über ihre Überlegungen, die sie offenbar für ziemlich einfältig hielt. „Na ja, zum Glück sind wir beide Realisten und wissen, dass das Quatsch ist.“
Manuel griff nach ihrer Hand und zwang Alicia stehen zu bleiben. „Zeigst du sie mir?“
Es war pure Freude, die ihre Augen zum Strahlen brachte, und etwas wie ein Gewissen regte sich in ihm. Vermutlich hatte sie insgeheim sogar befürchtet, er würde sich über sie lustig machen. Er drückte ihre Hand noch etwas fester, was sie mit einem liebevollen Blick quittierte.
„ Pass auf, dass du nicht an den Schlehdornbüschen hängenbleibst. Ihre Dornen sind ziemlich gemein. Da, siehst du?“ Sie deutete auf eine etwas abseits stehende Eiche, vor der ein einzelner, großer Stein lag. „Wenn man den Stein lediglich ein kleines Stück zur Seite schiebt, kommt die Quelle zum Vorschein. Der ist gar nicht so schwer, wie er aussieht.“
Tatsächlich genügte ein Schubser, um den Stein zu bewegen, wie er verblüfft beobachtete.
„ Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir Máire eines Tages erzählte, dass die Sidhe mitten unter uns leben, auch jetzt, wie sie es seit Anbeginn der Zeiten getan haben. Allerdings würden sich unsere Welten immer weiter voneinander entfernen. Die Türen dazwischen sind verschlossen und immer schwieriger zu finden. Daher vergessen manche Leute, dass sie genauso real sind wie wir.“
„ Was du nicht sagst. So real wie Märchen? Ich dachte, du seist Wissenschaftler?“, stieß Manuel mit einem abfälligen Grunzen hervor.
„ Ist dir bewusst, dass deine Vorfahren genau hier, in der Mitte des Baumkreises, die heidnischen Götter verehrt haben? Manche behaupten sogar, die Feen und Geister, die geboren werden wollen, würden in diesem heiligen Hain leben.“
„ Soll das eine Warnung sein?“ Er beugte sich über die Quelle und trank einen Schluck aus der hohlen Hand. „Dass wir besser Vorsicht walten lassen sollten, wenn wir hier zusammen sind? Es könnte ja sonst sein, dass du einem von ihnen die Wiedergeburt ermöglichst.“
Alicia schaute ihn an, als sei er nicht mehr ganz bei Trost.
„Na ja . War bloß so ’ne Idee.“ Und sein sehnlichster Wunsch nach Sex mit ihr der Vater dieses Gedanken.
„Ich werde daran denken.“ Wenn es soweit ist. „Kommst du mit hinüber zu den Gräbern?“
„ Och , muss das unbedingt heute sein? Noch dazu mitten in der Nacht?“
„Ich sage ihnen jedes Mal ‚Hallo’, wenn ich hierher komme.“
„Sie werden es dir nicht gleich übel nehmen, bloß weil du einmal nicht bei ihnen vorbeischaust. Bleib hier. Bitte“, fügte er mit Nachdruck hinzu in der Hoffnung, sie damit überreden zu können. Warum sich um Tote kümmern, wenn er in diesem Moment ihrer Zuwendung viel dringender bedurfte? „Ich glaube, ich muss mich eine Weile ausruhen.“
„Angst?“, neckte sie ihn.
„Ich bin ganz einfach außer Form“, ächzte er und ließ sich auf einer Bank außerhalb des Steinkreises nieder.
„ Oh. Dein Bein? An manchen Tagen merkt man dir nicht das Geringste an. Mitunter gerate ich deswegen in Versuchung, es völlig zu vergessen.“ Sie hatte ihn nicht in Verlegenheit bringen wollen. „Es dauert nicht lange.“
„Sei vorsichtig, der Weg ist uneben. Und gib vor allem Acht auf die Feen, die sich hier herumtreiben und bestimmt ganz scharf darauf sind, dich mit in ihr Reich zu nehmen.“
Doch vermutlich nic ht halb so scharf wie ich es bin – auf dich.
Inzwischen war er derart erregt, dass er sich am liebsten laut verflucht hätte. Er rutschte unbehaglich auf der Bank hin und her in der Hoffnung, eine bequeme Position zu finden, zupfte an seiner Hose und während er sich über das schmerzende Bein rieb, versuchte er sich an die letzte Frau in seinem Bett zu erinnern. Emilia natürlich. Und später? Seine Lippen wurden schmal. Mehrere Monate hatte er
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