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Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Titel: Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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im Krankenhaus gelegen und kein Bedürfnis verspürt, sich zu blamieren. Inzwischen wusste er, dass dieser Teil seiner Anatomie nicht unter dem Unfall gelitten hatte. Doch dieses Wissen machte ihm das Warten nicht leichter.
     
    Die Dunkelheit war seine Freundin. Sein Trost. Bei ihr fühlte er sich sicher und geborgen.
    Er schickte ein lautloses Dankgebet gen Himmel, während sich seine langen Finger in den weichen Lederhandschuhen spreizten und krümmten, sich zu Fäusten ballten und wieder streckten. Er spürte, wie das Adrenalin in sein Blut schoss und seinen Puls in freudiger Erwartung beschleunigte. Viel zu lange hatte er auf diesen Tag warten müssen. Doch heute, endlich! Gleich würde er die letzte Runde einläuten und ein für alle Mal als Sieger vom Platz gehen. Sie waren leichtsinnig geworden und rechneten nicht mehr mit ihm.
    Er dagegen hatte nie aufgehört , an sie zu denken. Er hatte seinen Hass und seine Rachegefühle über die Jahre gehegt und gepflegt wie ein zartes Pflänzchen, welches wuchs und gedieh, sich immer mehr Raum verschafft hatte und endlich all sein Denken und Handeln bestimmte.
    Das Geräusch l eichter Schritte wurde deutlicher. Er zog sich die Skimaske über den Kopf und atmete flacher. Ganz deutlich sah er ihre mädchenhaft schlanke Gestalt vor sich, ihr rotbraunes, dichtes Haar und das fein geschnittene Gesicht. Eine unnahbare, kühle Schönheit.
    Das würde sie n icht mehr lange sein, dafür würde er schon sorgen. Er spürte, wie sich sein Geschlecht regte. Als würde er es besänftigen wollen, legte er seine Hand darüber. Geduld, mein Freund, gleich, gleich ist es soweit. Nur noch ein paar Sekunden und sie würde ihm ganz nah sein. Und er würde ihr einheizen, wenn sie unter ihm lag und sich wand vor Schmerzen.

1 8. Kapitel
     
    Alicia beschleunigte ihre Schritte. Lächelnd huschte sie an Strauchwerk und herabhängenden Ästen vorbei, die ihr den Weg zu versperren versuchten. Selbst den knorrigen Wurzeln, die hier und da aus dem Waldboden ragten, wich sie mühelos aus. Was Manuel wohl von ihrer fixen Idee halten mochte, mitten in der Nacht zu den Gräbern zu gehen? Ob er insgeheim über sie lachte? Oder dachte er sich nichts dabei und tat es als eine harmlose Marotte ab?
    Weshalb war sie nic ht schon früher mit ihm hierhergekommen? Sie selber mochte um keinen Preis die beruhigende Wirkung missen, die dieses Land auf sie ausübte. Nach jedem Besuch auf Sean Garraí hatte sie das Gefühl, Energie für das nächste Jahr gesammelt zu haben, die ausreichen würde, bis sie wieder nach Killenymore kam. Manchmal war sie sogar überzeugt davon, die Zeit in Paris einzig mit diesem Wissen um ihre Rückkehr nach Irland im Hinterkopf überstehen zu können. Als würde sie ausschließlich für diese Wochen leben, in denen sie in einer Familie Geborgenheit und Ruhe fand.
    Und so war es wohl auch. Sie funktionierte wie ein Uhrwerk, stetig, zuverlässig, leistungsfähig. Aber sie lebte nicht.
    Ein einziges Mal, sie wohnte damals seit einem Jahr in Paris, hatte sie gemeinsam mit ihrem Vater zu Besuch auf Sean Garraí geweilt. Matthias Clausing hatte ein wunderhübsches Pony für sie gekauft und, indem er sie das Reiten lehrte, ihr Herz im Sturm erobert. Er hatte mit ihr gescherzt und gelacht und ihr Geschichten von Feen und den guten Leuten, die in prächtigen Schlössern unter den grünen Hügeln lebten, erzählt. Sie hatten sich sogar eine eigene Geheimsprache ausgedacht, eine kunterbunte Mischung aus Deutsch, Französisch und Bapuru, welches sie in Gabun gesprochen hatte, sowie Englisch und Irisch, die Matthias diesem Kauderwelsch beisteuerte. Und selbst nachdem Susannes Söhne auf Sean Garraí eingetroffen waren, erlahmte das Interesse des Grafen an ihr keineswegs, im Gegenteil – er behandelte sie genauso wie viele Jahre später seine von ihm abgöttisch geliebte Tochter Ena.
    Derweil hatte ihr eigener Vater jeden Tag auf dem Zauberhügel gesessen, reglos, auch bei Regen und Sturm, um stumme Zwiesprache mit seiner ermordeten Frau zu halten. Anstatt sich jedoch von dem Verlust zu erholen, wie alle gehofft hatten, verschlechterte sich sein Zustand dramatisch.
    Alicia wischte die trüben Gedanken energisch beiseite und fragte sich, ob Manuel mit ihr gemeinsam an Matthias’ Grab auf den Friedhof von Killenymore gehen würde. Da er heute gut gelaunt schien, würde sie ihm gleich nachher diesen Vorschlag unterbreiten. Wenn es nötig war, ihn zu überreden, würde sie vielleicht sogar auf

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