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Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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wie sie um ihn gewogt waren, als er sie im schnellen Falkenflug, auf der gleichen Bahn, durchstoßen hatte; damals war er in östlicher Richtung geflogen, jetzt hielt er gen Westen; damals hatte er hinuntergeblickt aufs graue Meer, jetzt schaute er hinauf in den grauen Himmel.
    Ged spähte scharf umher, doch die See um ihn herum war leer. Er stand auf, durchfroren und naß, er war das dauernde Starren ins leere, dunkle Nichts leid. »Dann komm doch her«, brummte er, »komm doch! Worauf wartest du denn, Schatten?« Er erhielt keine Antwort, kein dunkleres Wesen hob sich von den dunklen Wellen im trüben Licht ab. Doch er spürte, daß das Unding nicht weit entfernt war, daß es sich blind an seiner kalten Fährte entlang bewegte. Plötzlich rief er laut: »Da bin ich, Ged, der Sperber, und ich gebiete meinem Schatten zu erscheinen!«
    Das Boot quietschte, die Wellen lispelten, der Wind zischelte im weißen Segel. Die Minuten verstrichen. Ged wartete. Mit der Hand hielt er sich am Stab aus Eibenholz fest, seine Augen durchbohrten den eisigkalten Regen, der in verzerrten Bahnen vom Nordwind übers Meer gepeitscht wurde. Die Minuten verstrichen. Dann sah er, im Regen über dem Wasser, den Schatten von weitem auf sich zu kommen.
    Er trug nicht mehr den Körper des osskilischen Ruderers Skihor, aber auch als Gebbeth war er Ged nicht durch Wind und Wetter gefolgt, auch nicht in der Tiergestalt, in der er auf dem Rokkogel erschienen war und Ged in seinen Träumen heimgesucht hatte, und doch hatte er eine Gestalt, er war jetzt selbst im Tageslicht sichtbar. Während der Verfolgung von Ged und im Kampf mit ihm hatte er ihm etwas von seiner Macht entwendet und in sich aufgesogen; möglich ist auch, daß Geds lautes Gebieten im hellen Tageslicht ihm einen Körper – oder doch die Spur eines Körpers – verliehen oder aufgezwungen hatte. Nun war er unbestreitbar menschenähnlich, obwohl er, ein Schatten, selbst keinen Schatten warf. Und so bewegte er sich übers Wasser, aus dem Rachen von Enlad kommend und auf Gont zustrebend, ein kaum sichtbares, ungefüges Wesen, das unsicher und halbblind über die Wellen tappte, das kein Hindernis für den Wind darstellte, der ungehindert durch dieses Wesen blies.
    Weil der Schatten vom Tageslicht geblendet war und weil er ihn gerufen hatte, sah ihn Ged zuerst. Er erkannte ihn, genau wie der Schatten Ged erkannte und wie sie sich beide immer erkennen würden, überall, unter lebendigen und schattenhaften Wesen.
    In der trostlosen Einsamkeit des winterlichen Meeres stand Ged da und sah, was er so sehr fürchtete. Der Wind schien es vom Boot wegzublasen, die Wellen eilten unter ihm dahin und verwirrten Geds Augen, doch stetig kam es übers Wasser näher. Ged konnte nicht feststellen, ob es stillstand oder sich bewegte. Jetzt hatte es ihn gesehen. Obgleich alle seine Sinne mit Entsetzen und Grauen vor einer Berührung erfüllt waren, obgleich er den kalten schwarzen Schmerz wieder fühlte, der das Leben aus ihm sog, stand Ged doch unbeweglich und wartete. Dann, plötzlich, rief er den magischen Wind herbei, der sofort seine Segel prall füllte, und sein Boot schoß über das bleierne Wasser direkt auf das Wesen zu, das schief im Wind hing.
    Der Schatten hing noch einen kurzen Augenblick lang da, dann – zögernd – drehte er sich um und floh.
    Gegen den Wind eilte er, in nördlicher Richtung. Gegen den Wind raste Geds Boot, Schattenhuschen gegen Magierkunst. Dem Regen waren beide ausgesetzt. Ged feuerte sein Boot, sein Segel, den Wind und die Wellen mit lauten Worten an wie ein Jäger, der seine Meute hetzt, wenn der Wolf in voller Sicht davonläuft. Er füllte seine Segel mit einem magischen Wind, der so stark war, daß er jedes von Menschenhand gewobene Segel zerrissen hätte, und der sein Boot wie einen Schaumfetzen übers Wasser jagte; er kam dem Gejagten immer näher.
    Jetzt wandte sich der Schatten um und beschrieb einen Halbkreis; er sah plötzlich unbestimmter und undeutlicher aus, weniger menschlich, mehr wie Rauch, der vom Wind zerblasen wurde und der mit dem Wind im Rücken auf Gont zutrieb.
    Mit Hand und Zauberwort drehte Ged sein Boot herum. Wie ein Delphin sprang es aus dem Wasser und rollte bei der schnellen Drehung. Schneller als zuvor jagte er dahin, aber der Schatten vor ihm wurde immer schwächer. Regen, Hagel und Schnee schlugen Ged auf den Rücken und auf die linke Wange; er konnte keine hundert Meter weit sehen. Es dauerte nicht lange, und er verlor den Schatten aus

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