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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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daß er nicht irr redete, nicht wie damals, vor vielen Tagen, als sie zum ersten Mal mit ihm auf Lorbanery gesprochen hatten. »Ja. Dort müssen wir landen. Wir sind weit genug gefahren. Der Ort, den wir suchen, ist hier. Soll ich schwören, daß ich es weiß? Soll ich bei meinem Namen schwören?«
    »Das kannst du nicht«, sagte Sperber mit harter Stimme und schaute zu Sopli auf, der einen Kopf größer war als er. Sopli war aufgestanden und klammerte sich am Mast fest, um zum Land hinüber zu blicken. »Versuch es nicht, Sopli!«
    Der Färber sah böse drein, Wut und Schmerz mischten sich auf seinem Gesicht. Er schaute über die rollende, bewegte Wasserfläche auf die Berge, die blau in der Ferne vor ihnen lagen, und sagte: »Du hast mich als Führer mitgenommen. Das ist der Ort. Wir müssen hier landen.«
    »Wir gehen hier so oder so an Land, denn wir brauchen Wasser«, erwiderte Sperber und übernahm die Ruderpinne. Sopli kauerte wieder an seinem Platz neben dem Mast, und Arren hörte, wie er unablässig vor sich hinmurmelte: »Ich schwör bei meinem Namen, bei meinem Namen«, und jedes Mal, wenn er es sagte, verzog sich sein Gesicht, als litte er große Schmerzen.
    Der Wind blies aus dem Norden, als sie sich der Insel näherten und im heißen Sonnenlicht der Küste entlang segelten, um eine Bucht oder einen Landeplatz zu finden. Doch die Wellen brandeten mit donnerndem Getöse überall an die schroffe nördliche Küste. Im Inneren der Insel erhoben sich Hügel, die, von Sonnenlicht übergossen, bis an die Gipfel von Bäumen bekleidet waren.
    Sie umsegelten ein Vorgebirge und sahen endlich eine tiefe, sichelförmige Bucht mit weißem Sandstrand vor sich liegen. Die Wellen rollten sanft ans Ufer, ihre Wucht wurde von einem Vorgebirge gebrochen. Hier konnte ein Boot landen. Kein Mensch war am Ufer oder in den Wäldern zu sehen, die sich dahinter erhoben; kein Boot, kein Dach, keine Rauchspur war sichtbar. Die leichte Brise erstarb, sobald die Weitblick in die Bucht segelte. Alles war ruhig und still. Die Sonne brannte. Arren übernahm die Ruder. Sperber steuerte. Das Knirschen der Ruder in den Dollen war das einzig vernehmbare Geräusch. Die grünen Gipfel ragten über der Bucht auf, schlossen sie ein. Die Sonne lag wie ein glühendheißes Laken über dem Wasser. Arren hörte sein Blut in den Ohren pulsieren. Sopli hatte die Sicherheit des Mastes aufgegeben und hielt sich, im Vorderteil des Schiffes kauernd, am Dollbord fest. Seine Augen waren starr aufs Land gerichtet. Sperbers dunkles, vernarbtes Gesicht war schweißbedeckt und glänzte, als sei es geölt; seine Augen schweiften unablässig von den niedrigen Brandungswellen hinauf zu den grünbewachsenen Höhen und wieder zurück.
    »Jetzt«, sagte er zu Arren und dem Boot gleichermaßen. Arren zog die Riemen dreimal kräftig durch, und die Weitblick glitt in den Ufersand und setzte sanft auf. Sperber sprang aus dem Boot, um es mit Hilfe der letzten Welle vollends ans Ufer zu ziehen. Als er seine Hand ausstreckte, stolperte er und wäre gefallen, hätte er sich nicht am Heck festgehalten. Kaum rollte die Welle jedoch zurück, schob er plötzlich unter Aufbietung aller Kräfte das Boot zurück ins Wasser und warf sich selbst hinein, gerade als es zwischen Wasser und Ufer hing. »Rudere!« keuchte er Arren voller Anstrengung zu und versuchte, auf alle viere gestützt, ruhiger zu atmen, während das Wasser an ihm hinabströmte. In seiner Hand hielt er einen Speer – einen halben Meter langen Wurfspeer mit einer Bronzespitze. Woher war der gekommen? Ein anderer Speer flog heran, während Arren verwirrt die Ruder ruhighielt. Der Speer schlug seitlich an der Ruderbank auf, zersplitterte das Holz und prallte, sich überschlagend, zurück. Auf den niedrigen Hügeln und am Ufer unter den Bäumen sah man Menschen vorrennen und sich immer wieder hinter Büschen ducken. Ein pfeifendes, zischendes Geräusch erfüllte die Luft. Arren zog schleunigst den Kopf ein, beugte sich nach vorne und ruderte mit mächtigen Schlägen: zwei genügten, um sie aus den Untiefen herauszubringen, mit drei weiteren hatte er das Boot gedreht und trieb es mit Leibeskräften über die Bucht davon.
    Sopli, der im Bug des Schiffes hinter Arrens Rücken stand, begann zu schreien. Arrens Arme wurden plötzlich gepackt, so daß die Riemen aus dem Wasser hochschossen. Das Ende eines Riemens stieß in seine Magengrube. Es wurde ihm einen Augenblick lang schwarz vor den Augen und verschlug ihm den Atem.

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