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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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»Dreh um! Dreh um!« schrie Sopli. Das Boot schlingerte und rollte steuerlos auf dem Wasser. Arren wandte sich um, sobald er die Riemen wieder zu fassen bekam. Er war wütend. Sopli war plötzlich nicht mehr an Bord.
    Das tiefe Wasser der Bucht hob und senkte sich leise und schillerte im Sonnenlicht.
    Arren blickte verwirrt um sich, dann auf Sperber, der im Heck des Schiffes kauerte. »Hier«, sagte Sperber und deutete auf eine Stelle neben dem Boot, aber da war nichts zu sehen außer dem Wasser und dem blendenden Schimmer des Sonnenlichtes. Ein Speer, mit einer Wurfstange geschleudert, landete dicht beim Boot und verschwand geräuschlos im Wasser. Arren zog kräftig durch und brachte das Boot noch zehn oder zwölf Schläge weiter weg vom Ufer, dann hielt er inne und blickte fragend auf Sperber.
    Sperbers Hände und sein linker Arm waren blutüberströmt; er preßte ein Stück zusammengelegte Leinwand gegen seine Schulter. Der Speer mit der Bronzespitze lag am Boden. Er war nicht von Sperber geschwungen worden, wie Arren im ersten Moment annahm, sondern hatte aus seiner Schulter geragt, aus dem Oberarm, wo die Spitze eingedrungen war. Jetzt ließ Sperber den Blick prüfend über das Wasser gleiten, das sich zwischen ihnen und dem weißen Strand erstreckte, und betrachtete die vielen kleinen Gestalten, die im heißen Sonnengeflimmer hin- und herrannten. Schließlich sagte er: »Fahr weiter!«
    »Sopli …«
    »Er ist nicht wieder aufgetaucht.«
    »Ist er ertrunken?« fragte Arren ungläubig.
    Sperber nickte.
    Arren ruderte, bis der Strand nur noch ein weißer Strich unter dem Wald und den grünen Gipfeln war. Sperber handhabte die Ruderpinne und hielt die Leinwand an seine Schulter gepreßt, doch achtete er nicht darauf.
    »Wurde er von einem Speer verletzt?«
    »Er sprang.«
    »Aber er … er konnte nicht schwimmen. Er hatte Angst vor dem Wasser!«
    »Und wie! Tödliche Angst hatte er. Er wollte … er wollte an Land.«
    »Warum haben sie uns angegriffen? Wer sind sie?«
    »Sie müssen uns für Feinde gehalten haben. Kannst du … kannst du mir einen Augenblick damit helfen?« Arren merkte erst jetzt, daß die Leinwand, die Sperber gegen seine Schulter gepreßt hielt, ganz durchtränkt war von Blut.
    Der Speer war zwischen Schultergelenk und Schlüsselbein eingedrungen und hatte eine der großen Adern aufgerissen, so daß die Wunde heftig blutete. Unter Sperbers Anweisung mußte Arren ein Leinenhemd in Streifen reißen und einen Verband für die Wunde daraus machen. Sperber bat ihn, ihm den Speer zu reichen und als Arren ihn auf seine Knie gelegt hatte, ließ er seine Hand auf der Spitze ruhen, die lang und schmal wie ein Weidenblatt und aus roh gehämmerter Bronze gefertigt war, doch nach einer Weile schüttelte er den Kopf: »Ich habe keine Kraft in mir, um eine Zauberformel zu wirken«, sagte er. »Später. Es wird schon wieder gut werden. Kannst du uns aus dieser Bucht herausrudern, Arren?«
    Schweigend kehrte der Junge an die Riemen zurück und begann zu rudern. Er ruderte mit aller Kraft und bald – denn sein geschmeidiger schlanker Körper war kräftig – brachte er die Weitblick aus der sichelförmigen Bucht hinaus aufs offene Meer. Mittägliche Meeresstille lag auf dem Wasser. Das Segel hing schlaff am Mast. Die Sonne war hinter einem Dunstschleier verborgen, und die grünen Gipfel flimmerten in der großen Hitze und schienen sich zu bewegen. Sperber hatte sich im Boot ausgestreckt, sein Kopf lehnte gegen die Sitzbank, über der sich die Ruderpinne befand; er lag bewegungslos, seine Lippen und Augen waren halb geöffnet.
    Arren vermied es, ihm ins Gesicht zu blicken, er starrte hinaus aufs Meer. Die Hitze lag wie ein Schleier über dem Wasser, wie ein riesiges Spinnengewebe, das sich über den ganzen Himmel erstreckte. Seine Arme zitterten vor Anstrengung, doch er stellte das Rudern nicht ein.
    »Wohin ruderst du uns?« fragte Sperber heiser und setzte sich ein wenig auf. Arren wandte den Kopf und sah, wie die sichelförmige Bucht ihre grünen Arme wieder um das Boot streckte, sah den weißen Strand wie einen Strich in der Ferne und die grünen Berge immer höher wachsen. Er hatte, ohne es zu bemerken, das Boot gewendet und zurückgerudert.
    »Ich kann nicht mehr weiterrudern«, sagte er und zog die Riemen ein. Er verstaute sie und kauerte sich dann im Bug des Bootes nieder. Er bildete sich ein, Sopli säße hinter ihm am Mast. Sie waren zu viele Tage auf dem Boot beisammen gewesen, sein Tod kam zu

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