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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Welle gewesen sein. Das Boot hielt schon stundenlang nordwestlichen Kurs. Er machte keinen Versuch, gegen den Wind zu kreuzen, sondern überließ ihm das Segel. Vielleicht war es Land gewesen, vielleicht aber auch nicht. Es spielte keine Rolle mehr. Er sah nichts von der weiten, wilden Schönheit des Meeres, sah nicht den Glanz, der auf dem Wasser lag, sah nicht den unendlichen, blaustrahlenden Himmel, er blickte stumpf vor sich hin, und alles kam ihm matt und schlaff vor, alles war ihm gleichgültig.
    Es wurde dunkel und wieder hell, dunkel und hell, wie Trommelschläge auf der straffgespannten Haut des Himmels.
    Er ließ die Hand ins Wasser hängen. Und ganz kurz sah er, scharf und klar, ein Bild: seine Hand, grünlichbleich, unter lebendigem Wasser. Er beugte sich über Bord und lutschte die Nässe von den Fingern. Sie schmeckte bitter, und seine Lippen brannten schmerzhaft, aber er wiederholte es. Dann wurde ihm übel und er mußte sich übergeben, doch nur etwas Galle brannte in seiner Kehle. Das Faß war leer, er konnte Sperber kein Wasser mehr geben, und er hatte Angst, sich ihm zu nähern. Er legte sich nieder, fröstelnd, trotz der Hitze. Alles war ruhig, ausgetrocknet und hell: schrecklich hell. Er verbarg seine Augen vor dem Licht.
    Sie standen im Boot. Drei waren es, spindeldürr, knochig, mit großen Augen, wie seltsame dunkle Reiher oder Kraniche sahen sie aus. Ihre Stimmen waren hoch und dünn wie Vogelgezwitscher. Er verstand sie nicht. Einer kniete über ihm und hielt eine dunkle Blase in der Hand. Er goß etwas daraus in Arrens Mund: es war Wasser. Arren trank gierig, verschluckte sich, hustete, trank wieder, bis alles leer war. Dann blickte er um sich, und, mühsam sich aufrichtend, fragte er: »Wo, wo ist er?« Denn in der Weitblick befanden sich außer ihm nur die drei hageren Fremden.
    Die sahen sich an und verstanden ihn nicht.
    »Der andere Mann«, sagte er heiser. Seine wunde Kehle und seine steifen, verkrusteten Lippen konnten die Worte »mein Freund« nicht formen.
    Einer von ihnen verstand seine Not, wenn auch nicht seine Worte. Er legte eine dünne, ganz leichte Hand auf Arrens Arm und deutete mit der anderen: »Dort«, sagte er beruhigend.
    Arren blickte auf. Und er sah, nördlich vom Boot, Flöße: manche nahe beisammen, andere vereinzelt und weiter entfernt; sie waren so zahlreich, daß es aussah, als schwämmen Herbstblätter auf einem Wasserbecken. Niedrig und flach lagen sie auf dem Meer, doch jedes Floß hatte eine oder zwei Kabinen oder Hütten, die sich ungefähr in der Mitte erhoben, manche hatten sogar einen Mast gesetzt. Sie hoben und senkten sich langsam mit der Dünung, die sich unter ihnen bewegte. Die Wasserstraßen glänzten silbern zwischen ihnen, und im Westen, über ihnen, türmte sich eine riesige, dunkelviolette Regenwolke mit goldenen Rändern.
    »Dort«, sagte der Mann und deutete auf ein großes Floß, das nahe der Weitblick lag.
    »Lebt er?«
    Sie blickten ihn wieder alle an, und endlich verstand ihn der eine wieder. »Er lebt. Er lebt.« Bei diesen Worten traten Arren die Tränen in die Augen, und er begann zu schluchzen. Einer der Männer umfaßte Arrens Handgelenk mit seiner schmalen, starken Hand und zog ihn aus der Weitblick hinaus auf ein Floß, an dem das Boot festgemacht war. Das Floß war so groß und elastisch, daß es ihr Gewicht aufnahm, ohne auch nur im geringsten zu schwanken. Einer der Männer führte Arren am Arm, während ein anderer mit einem langen Bootshaken, an dessen Spitze sich ein gekrümmter Haifischzahn befand, ein nahes Floß noch näher heranzog, so daß sie mühelos den Spalt überschreiten konnten. Dort führte er Arren zu einer Hütte, die von drei Seiten mit geflochtenen Matten geschlossen, auf der vierten aber offengelassen war. Er gebot ihm: »Leg dich nieder!«, und das war das letzte, was Arren vernahm.
    Er lag auf dem Rücken, flach ausgestreckt, und blickte hinauf in ein einfaches grünes Dach, das mit winzigen Lichtpunkten übersät war. Er glaubte, sich unter den Apfelbäumen von Semermein, in den Bergen von Berila, zu befinden, wo die Prinzen von Enlad ihre Sommer verbringen; er glaubte, daß er im Gras läge und durch die dichtbelaubten Apfelbaumzweige in die Sonne schaute.
    Nach einer Weile hörte er das Wasser, wie es gegen die Höhlungen unter dem Floß klatschte, und er vernahm die dünnen Stimmen der Floßleute, die im Hardisch des Inselreiches miteinander sprachen, das hier aber ganz anders klang und einen fremden

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