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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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geschnitzten Türpfosten, die große graue Walfische darstellten. Der Mann war so klein und mager wie die anderen. Sein Körper war nicht größer als der eines Jungen, doch seine Züge waren ausgeprägt, und die Jahre hatten ihre Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen. Er trug nur ein Lendentuch, doch umgab ihn eine Würde, die durch kostbare Kleider nicht hätte erhöht werden können. »Er muß schlafen«, sagte er, und Arren verließ Sperber und kam auf ihn zu.
    »Sie sind der Oberste dieses Volkes«, sagte Arren, der wußte, wenn er einen Prinzen vor sich hatte.
    »Ja«, sagte der Mann und nickte knapp. Arren stand aufrecht und ohne sich zu rühren vor ihm. Ihre Augen trafen sich kurz, und der Mann sagte nach einer Weile: »Du bist auch der Führer eines Volkes.«
    »Ja«, erwiderte Arren. Er hätte gerne gewußt, was den Floßmann zu dieser Feststellung veranlaßte, fragte aber nicht danach. »Aber ich diene meinem Gebieter hier.«
    Der Oberste des Floßvolkes sagte etwas, das Arren nicht verstand. Die Worte klangen in seinem Mund so anders, daß er sie nicht erkannte, und die Namen hatte er noch nie gehört; doch schließlich verstand er: »Warum seid ihr nach Balatran gekommen?«
    »Wir suchten …«
    Doch Arren wußte nicht, wieviel und was er sagen sollte. Alles, was sich zugetragen hatte, ihre Suche, ihre Abenteuer, schienen in weiter Ferne zu liegen und verwirrten sich in seinem Kopf. Endlich sagte er: »Wir erreichten Obehol. Sie griffen uns dort an, als wir landen wollten. Mein Gebieter wurde verletzt.«
    »Und du?«
    »Ich wurde nicht verletzt«, sagte Arren, und die kühle Selbstsicherheit, die er in seiner Jugend bei Hofe gelernt hatte, kam ihm jetzt zustatten. »Es herrscht … es herrscht da so etwas wie Wahnsinn. Einer, der bei uns war, ist ertrunken. Das Grauen, es liegt auf allem …« Er sprach nicht weiter und schwieg.
    Der Häuptling blickte ihn aus dunklen, undurchdringlichen Augen an. Endlich sagte er: »Ihr seid also durch Zufall hierhergekommen?«
    »Ja. Befinden wir uns noch im Westbereich?«
    »Bereich? Nein. Die Inseln …« Der Häuptling beschrieb mit seiner schmalen dunklen Hand einen kleinen Bogen, nicht größer als ein Viertel der Windrose, von Norden nach Osten. »Die Inseln sind dort«, sagte er. »Alle Inseln.« Dann deutete er auf die abendliche See vor sich, von Norden nach Westen, nach Süden und sagte: »Das Meer.«
    »Von welchem Land stammen Sie?«
    »Von keinem Land. Wir sind die Kinder der Hohen See.«
    Arren blickte in sein waches Gesicht. Er schaute auf das große Floß, sah den Tempel, die geschnitzten Idole, jedes aus einem einzigen Baumstamm gefertigt, große, göttliche Gestalten, die menschliche Züge trugen, aber auch Ähnlichkeit mit Delphinen, Fischen und Vögeln hatten; er sah die Leute geschäftig bei der Arbeit, manche woben, andere schnitzten, fischten oder kochten, manche waren mit Säuglingen und kleinen Kindern beschäftigt; Floß reihte sich an Floß, mindestens siebzig Flöße waren hier versammelt, die einen Riesenkreis bildeten, der bestimmt mehr als eine halbe Meile Durchmesser hatte. Es war wie eine Stadt. Aus entfernten Hütten stieg Rauch in die Höhe, hohe Kinderstimmen wurden vom Wind herübergetragen. Es war wie eine Stadt, und unter ihnen lag ein Abgrund.
    »Gehen Sie nie an Land?« fragte der Junge leise.
    »Einmal im Jahr. Wir gehen zur Langen Düne. Dort fällen wir Bäume und bauen unsere Flöße. Das machen wir im Herbst, dann folgen wir den grauen Walfischen nach Norden. Im Winter trennen wir uns, jedes Floß ist für sich. Im Frühling treffen wir uns alle in Balatran. Die Leute besuchen sich auf ihren Flößen, es wird geheiratet. Wir halten den Langtanz ab. Das hier sind die Straßen von Balatran. Von hier gehen die großen Meeresströmungen in den Süden. Wir lassen uns auf ihnen treiben, bis wir die Großen sehen, die grauen Walfische. Wenn sie sich nach Norden wenden, dann folgen wir ihnen und kehren zum Strand von Emah auf der Langen Düne zurück, wo wir eine kurze Weile bleiben.«
    »Das ist ganz wundersam«, sagte Arren. »Nie habe ich von einem Volk wie dem Ihrigen gehört. Meine Heimat ist weit, weit entfernt von hier. Doch wir tanzen auch den Langtanz in der Mittsommernacht.«
    »Sie stampfen die Erde unter ihren Füßen und treiben alles Böse aus ihr heraus«, sagte der Häuptling trocken. »Wir tanzen über dem tiefen Meer.«
    Er schwieg. Dann fragte er: »Wie wird er genannt, der Gebieter?«
    »Sperber«, sagte

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