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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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was das bedeutete, doch die Antwort des Drachen verstand er nicht. Immer wenn er die Ursprache hörte, kam es ihm vor, als verstünde er sie fast, als läge sie ihm auf der Zunge, als wäre es eine Sprache, die er vergessen, und nicht eine Sprache, die er nie gekannt hatte. Wenn der Magier in ihr sprach, so war seine Stimme viel klarer, als wenn er hardisch redete, und doch lag eine Stille darin, wie sie von einer großen, nur ganz leicht berührten Glocke hervorgebracht werden kann. Die Stimme des Drachen dagegen war wie ein Gong, tief und schrill zugleich, oder wie eine Zimbel, klingend und schellend.
    Arren sah seinen Gefährten im schmalen Bug stehen und zu der riesigen Kreatur sprechen, die über ihnen schwebte und den halben Himmel bedeckte. Er jauchzte innerlich auf und Stolz durchflutete ihn bei diesem Anblick; er sah, wie schwach, wie gering und wie schrecklich zugleich ein Mensch sein kann. Denn der Drache hätte mit einem Schlag seiner gekrümmten Klaue den Kopf des Mannes von den Schultern reißen können, er hätte das Boot zermalmen und versenken können wie ein Stein ein schwimmendes Blatt versenkt – wenn es nur auf die Größe ankäme. Doch Sperber war so gefährlich wie Orm Embar, und der Drache wußte das.
    Der Magier wandte den Kopf: »Lebannen«, sagte er, und der Junge stand auf und kam nach vorne, obgleich er überhaupt kein Verlangen verspürte, sich diesem fünf Meter langen Rachen und den schmalen, gelbgrünen Augen mit den geschlitzten Pupillen zu nähern, die von oben auf ihn herabbrannten.
    Sperber sagte kein Wort zu ihm, doch er legte seine Hand auf Arrens Schulter und sprach wieder kurz zu dem Drachen.
    »Lebannen«, ließ sich die mächtige Stimme vernehmen, »Agni Lebannen!«
    Er blickte nach oben, doch ein leichter Druck von Sperbers Hand erinnerte ihn daran, dem Blick des Drachen nicht zu begegnen.
    Er konnte nicht in der Ursprache reden, aber er war nicht stumm und nicht dumm: »Ich begrüße Sie, Orm Embar, Fürst über alle Drachen«, sagte er mit klarer Stimme, wie ein Prinz, der einen Ebenbürtigen begrüßt.
    Danach war alles still, nur Arrens Herz schlug laut und heftig. Doch Sperber, der neben ihm stand, lächelte.
    Dann hob der Drache wieder an zu sprechen, und Sperber antwortete; Arren kam es wie eine Ewigkeit vor. Doch endlich, ganz plötzlich, war alles vorüber. Der Drache sprang mit einem Schlag seiner Schwingen so kraftvoll in die Höhe, daß er das Boot fast zum Kentern brachte; dann flog er davon.
    Arren sah, daß die Sonne dem Untergang nicht viel näher war als zuvor. Nur wenig Zeit war verstrichen, doch das Gesicht des Magiers war aschgrau und schweißbedeckt, und seine Augen glitzerten, als er sich Arren zuwandte. Er setzte sich auf die Ruderbank.
    »Du hast dich gut gehalten, mein Junge«, sagte er heiser. »Es ist nicht leicht – mit einem Drachen zu reden.«
    Arren holte etwas zu Essen heraus, denn sie hatten den ganzen Tag noch keinen Bissen zu sich genommen, und der Magier redete nicht mehr, bis er gegessen und getrunken hatte. Als sie fertig waren, stand die Sonne schon tief am Himmel, obwohl in diesen nördlichen Breiten, wenn die Mittsommernacht noch nicht allzu lange vorbei ist, die Nächte spät und langsam kommen.
    »Na«, sagte er endlich, »Orm Embar hat mir ja, wenn man in Betracht zieht, daß es von ihm kommt, ziemlich viel mitgeteilt. Er sagte, daß der, den wir suchen, sich auf Selidor befindet und doch nicht dort ist … Einem Drachen fällt es schwer, sich klar auszudrücken. Ihre Gedankengänge sind vielschichtig. Und selbst wenn einer von ihnen einem Menschen die Wahrheit sagen wollte, was selten vorkommt, dann weiß er immer noch nicht, was der Mensch als Wahrheit betrachtet. Deswegen habe ich ihn gefragt: ›So wie dein Vater Orm sich auf Selidor befindet?‹ Denn wie du ja weißt, Orm und Erreth-Akbe sind dort im Kampf gefallen. Und er antwortete: ›Ja und nein. Du wirst ihn auf Selidor, doch nicht auf Selidor finden!‹« Sperber hielt inne und grübelte eine Weile über die Worte nach, während er an einer Brotkruste kaute. »Vielleicht wollte er damit sagen, daß der Mensch, den ich suche, nicht auf Selidor ist, doch ich muß nach Selidor, um zu ihm zu gelangen. Vielleicht …
    Dann habe ich ihn über die anderen Drachen ausgefragt. Er sagte, daß dieser Mensch sich furchtlos unter sie gewagt habe, denn wenn er getötet würde, dann kehrte er in seiner anderen Gestalt lebendig wieder zurück. Daher fürchten sie ihn als ein Wesen,

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