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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Sandschneider
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positiver Trend ist, dass Parteien auf immerjüngere Abgeordnete setzen, muss aus dieser Perspektive bezweifelt werden. Berufs- und Lebenserfahrung, vor allem aber die berufliche und finanzielle Unabhängigkeit von Parteivoten können nicht hoch genug bewertet werden.
    In wachsendem Maße werden Demokratien vor das Problem gestellt, auf parlamentarischem Wege nicht schnell genug entscheiden zu können, um mit dem rasanten Entwicklungstempo neuer Technologien auch nur entfernt Schritt halten zu können. Diese Technologie-Entscheidungslücke droht gerade den insgesamt ohnehin zeitaufwendigen Entscheidungsprozess in Demokratien in wachsendem Maße ungeeignet erscheinen zu lassen, um unter Bedingungen, in denen Raum und Zeit eigentlich keine Rolle mehr spielen, adäquat reagieren zu können.
    Debatten im Deutschen Bundestag über gentechnologische Gesetzgebung finden üblicherweise auf dem Stand der Gentechnologie statt, wie er mehrere Jahre vor der Parlamentsdebatte gültig war. Die entstehenden Regelungen sind zwangsläufig in dem Augenblick veraltet, wenn sie vom Parlament verabschiedet werden. Die Forschung arbeitet indessen weiterhin im Freiraum noch ungeregelter Kompetenzen und Möglichkeiten.
    Zusätzlich bedrohen strukturkonservative Entscheidungsblockaden die Handlungs- und Reaktionsfähigkeit demokratischer Systeme. Wenn notwendige Strukturreformen im Gestrüpp von Blockaden strukturkonservativer Lobbygruppen stecken bleiben, werden auch Demokratien auf Dauer nicht in der Lage sein, Zukunftsprobleme zu lösen.
    Diese Fragen an die eigene Leistungsfähigkeit von Demokratien darf man nicht aus dem Auge verlieren, wenn man sich den Herausforderungen zuwendet, die Autokratien für Demokratien darzustellen scheinen. Wie sieht es also mit der Leistungsfähigkeit autokratischer Systeme aus? Sind sie Demokratien wirklich überlegen, weil sie schnell und effizient Probleme lösen, bevor in Demokratien auch nur Kommissionen eingesetzt werden können, die das jeweilige Problem definieren sollen?
Der falsche Glanz der Diktatur
    Eigentlich hat sich nur wenig geändert. Der Vorteil einer Autokratie scheint vor allem in der Fähigkeit zu bestehen, schnelle Entscheidungen dank zentralisierter Herrschaftsformen zu fällen. Wie das Beispiel Chinas zeigt, besteht das wesentlich Neue darin, dass diese Fähigkeit nicht mehr für ideologische Wahrheitsziele, sondern für pragmatische Wohlfahrtsziele eingesetzt wird. Trotzdem ist Vorsicht beim allzu positiven Umgang mit der Leistungsfähigkeit autokratischer Systeme angebracht. Eigentlich muss man sich ständig vor Augen halten, dass Autokratien gut darin sind, ihre Probleme zu verstecken, während Demokratien dazu neigen, ihre Schwächen überzubewerten, vor allem aber sie öffentlich transparent zu machen.
    Trotz ihrer beeindruckenden ökonomischen Erfolge, die formal durch hohe Wachstumszahlen ihre Wirkung auf Beobachter im Westen nicht verfehlt haben, bleiben für Diktatoren eine Reihe grundsätzlicher Herausforderungen bestehen, von denen man derzeit nur mit Gelassenheit feststellen kann: Es ist offen, ob solche Systeme in der Lage sein werden, mit diesen Herausforderungen ähnlich erfolgreich umzugehen wie mit den Problemen ihrer nachholenden ökonomischen Entwicklung. Vier wesentlichen Herausforderungen werden sie sich dabei stellen müssen.
    An oberster Stelle steht der Verlust des Informations- und Meinungsmonopols. Internet und moderne Kommunikationstechnologie haben nicht nur die Verbreitung von Informationen unglaublich beschleunigt, sie haben auch die Abschottungsversuche gegen unkontrollierten Informationsfluss in erheblichem Maße beeinträchtigt. Dies führt dazu, dass das klassische Herrschaftsinstrument der umfassenden Kontrolle öffentlicher Meinung in autokratischen Systemen immer stärker infrage gestellt wird. Die beschleunigende Rolle von sozialen Netzwerken bei den Demonstrationen in Nordafrika zu Beginn des Jahres 2011 macht deutlich, dass solche Effekte mittlerweile auch länderübergreifend ihre Wirkung zeigen und selbst durch einflussreiche staatliche Propaganda und Kontrolle nicht wirklich beeinträchtigt werden können.
    Zweitens haben Autokratien immer ein Legitimitätsproblem. Das Beispiel Chinas zeigt sehr deutlich, dass es einer autokratischen Führung durchaus auf längere Sicht gelingen kann, durch den Nachweis ökonomischer Leistungsfähigkeit die demokratischen und partizipativen Legitimitätsdefizite zu überdecken. Ob dieses auf Dauer gelingen

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