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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Anaxarchus?«
    Der andere schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Mir ist zu Ohren gekommen, daß er aus meiner Heimatstadt Abdera stammt und erst später nach Byzanz übersiedelte. Zwar sagen alle, das Volk von Abdera sei dumm, doch sind viele große Männer dort geboren worden.«
    »Du bist schließlich ein Beispiel dafür«, sagte der Krieger mit ironischem Lächeln.
    »Das bringt mein Amt als Philosoph im Gefolge Alexanders mit sich«, sagte Anaxarchus.
    Der Krieger ging im Flur nervös auf und ab, wirbelte herum und fluchte. »Beim Atem des Salamanders, wann werden wir endlich unsern Eroberungszug beenden? Was ist nur los mit Alexander, Anaxarchus? Seit wann ist er in diesem Zustand? In Ägypten kursieren merkwürdige Gerüchte, die ich nie ernst genommen habe.«
    »Er ist krank, Ptolemäus«, sagte Anaxarchus, obwohl er den eigenen Worten nicht glaubte.
    »Das ist alles? Auch ohne Kenntnis des Orakels von Lydien, das entsetzliches Unheil über die Welt hereinbrechen sieht, wären meine Befürchtungen größer. Dinge passieren, Anaxarchus. Verhängnisvolle Wolken verdunkeln die Welt.« »Du siehst zu schwarz, Ptolemäus … Er ist nur krank. Er hat Fieber.«
    Wieder drang ein schreckliches Stöhnen aus dem Raum zu den Männern nach draußen, ein furchterregendes Stöhnen unsäglicher Qual, die nicht so sehr körperlichen als vielmehr seelischen Ursprungs zu sein schien.
    »Ein ungewöhnliches Fieber«, sagte Ptolemäus bissig. Er schritt zur Tür, doch Anaxarchus trat ihm in den Weg. »Nein, Ptolemäus … Solange du noch bei Verstand bist … wage es nicht, den Raum zu betreten. Ich warne dich.« Ptolemäus sah einen Augenblick lang aus wie ein gescholtener Schuljunge, machte schließlich kehrt und eilte durch den Flur davon.
    Hinter der verschlossenen Tür gab ein Mann – oder Gott – erschreckende Laute von sich. Es schien, als wolle sein Schä del in einzelne, unabhängig voneinander existierende Teile zerspringen. Wer war Alexander? Selbst er wußte darauf keine vollständige Antwort. Über viele Jahre glaubte er, im Vollbe sitz seiner Macht und Größe zu sein. Doch jetzt war ihm, dem gemarterten Mann, seine Nichtigkeit aufs deutlichste bewußt. Er stellte nur eine Hülle dar, ein Medium für zahlreiche, wirk same Kräfte, von denen nur der gemeinsame Name bekannt war. Er wußte, daß außer ihm viele Menschen in der Vergan genheit von diesen Kräften besessen waren; auch in Zukunft müßten weitere Opfer darunter leiden, bis ihr Werk vollendet sein würde. Ein Teil von ihm erflehte den Tod.
    Ein Teil versuchte, gegen das Fremde im Inneren anzukämp
fen.
Ein Teil plante – Verbrechen.

    Verkleidet und bewaffnet, die Schenkel fest an die Flanken der Stute gepreßt, galoppierte Simon über die spärlich bewachsene Ebene von Babylon. Der Umhang flatterte wie die Flügel eines Falken.
    Das Pferd, mit aufgerissenen Augen und stampfendem Herz, schnaubte, seine Hufe trommelten.
    Über zwei Stunden war Simon unbehelligt vorangekommen. Doch jetzt tönten beängstigende Geräusche durch die kalte Nacht.
    Er zog das Schwert aus der Scheide, ritt jedoch weiter und beruhigte sich mit der Erklärung, der Flügelschlag von Geiern erzeuge die Geräusche.
    Dann tauchte mit einem Mal eine Gestalt vor ihm auf. Er blickte in ein bleiches Gesicht mit unmenschlichen Zügen. Schlangen umringelten den Kopf, Blut triefte aus den Augen. Das Pferd bäumte sich wiehernd auf. Simon schloß vor dem Anblick die Augen.
    »Visionen … von den Kräutern der Magi heraufbeschworen«, sagte er laut mit brüchiger Stimme.
    Aber glauben konnte er es nicht. Er hatte sie gesehen. Die Eumeniden – die Furien der Legende.
    Denn das Gesicht war dem einer Frau ähnlich gewesen.
    Die unheimlichen Laute wurden deutlicher. Simon trieb das scheue Pferd an. Scharfgeschnittene, weibliche Gesichter mit Schlangen statt Haaren, Blut tränenden, bösen Augen und Klauenhänden fielen schnatternd über ihn her. Es war ein Alptraum.
    Plötzlich ertönte ein dumpfes Donnern wie das ferne Tosen einer Brandung. Es kam näher und näher, bis sich die Nacht schließlich einem grellen, goldenen Licht öffnete, das in winzige Teilchen zersplittert zu sein schien. Die geflügelten Wesen, gebannt vom gleißenden Strahl, wirbelten umher, heulten und kreischten. Dann waren sie verschwunden. Das Licht erlosch.
    Simon ritt weiter. Er redete sich ein, halluziniert zu haben. Der Trank der Magi hatte offenbar sein müdes Gehirn durcheinandergebracht.
    Die restliche Nacht

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