Der Eroberer
stürzte zu Boden, rollte auf den Rücken, hielt schützend seine Waffe über das Gesicht und wehrte einen Hieb ab, der aus der Dunkelheit auf ihn niedersauste. Er robbte sich in Deckung, sprang auf, schwang das Schwert und schlitzte einem weiteren Soldaten
die Kehle auf.
Dann rannte er wieder los. Jedes Glied schmerzte, aber ein Entsetzen, das größer war als Todesangst und Furcht vor Folter, trieb ihn an zur Flucht.
Als schwarz gewandete Gestalten aus der Dunkelheit auftauchten und ihn umzingelten, griff er an, doch das Schwert schien auf Metall zu stoßen. Seine Hand war wie betäubt, und die Waffe fiel auf das Pflaster der Straße.
Wieder tauchte das Gesicht Alexanders vor ihm auf. Das teuflische Lachen dröhnte durch seinen Kopf, durch den ganzen Körper, bis es ihm, Simon, so schien, als sei er Alexander, als ergötze er sich an dem blutigen Scherz. Eine sadistische, gehässige Freude ließ ihn erschauern.
Dann kehrte Frieden ein; in rätselhaften, verschwommenen Bildern träumte er von seltsamen Körpern, die sich durch den Rauch zahlloser rotglühender Schmelzofen bewegten. Simon fühlte unter seinem Rücken eine harte, glatte Fläche. Argwöhnisch schlug er die Augen auf.
Ein mageres Gesicht blickte freundlich auf ihn nieder. Aus dünnen Lippen kamen die Worte: »Ich bin Abaris.« »Simon von Byzanz«, sagte der Thraker.
»Du hast die Dunkelheit erfahren?« Die Frage war gleichzei
tig Feststellung.
»Ja«, antwortete Simon verwirrt.
»Wir sind Männer des Lichts. Die Magi heißen dich willkommen. Hier bist du in Sicherheit.«
»Magi? Das sind doch persische Priester … aber du stammst
nicht aus Persien.«
»Das stimmt.«
»Abaris? Ich kenne eine Abaris-Legende … Es geht da um einen Zauberer, nicht wahr? Einen Priester des Apollo, der auf einem Pfeil ritt.«
Der Magi gab keine Antwort; er lächelte nur und sagte dann: »Du hast Alexanders Zorn heraufbeschworen. Wie lange, glaubst du, wäre dir dein Leben noch vergönnt geblieben?« »Eine merkwürdige Frage. Ich würde sagen, solange mein Scharfsinn ausgereicht hätte, den Soldaten zu entkommen.« »Falsch.«
Simon richtete sich auf der breiten Bank auf und sah sich um. Zwei andere Priester musterten ihn aus einem Winkel des leeren Raumes. Tageslicht drang durch ein Loch in der Decke. »Schulde ich euch jetzt mein Leben?«
»Das meinen wir … Aber du brauchst diese Schuld nicht abzutragen. Wir wünschten, jedem Feind von Alexander auf solch handfeste Weise helfen zu können.« »Ich bin nicht sein Feind … er ist meiner.«
»Du bist Zeuge seines wahren Gesichts. Und du bleibst bei deiner Behauptung?«
Simon schüttelte den Kopf. »Ich bin sein Feind«, stimmte er zu. »Oder zumindest der Feind dessen, wofür er steht.« »Du sagst es … Auch wir befeinden das, was Alexander darstellt.«
Simon neigte den Kopf und lächelte. »Wir sollten es noch genauer fassen. Er ist wahnsinnig … nicht mehr, nicht weniger. Er ist der Inbegriff des Bösen in der Welt, aber nicht eines übernatürlichen.«
Abaris blickte einen Moment ungeduldig zur Seite und runzelte die Stirn. Dann nahm er wieder eine freundlichere Miene an. »In diesen Tagen ist es sehr gewagt, ein Ungläubiger zu sein.«
»Gewagt oder nicht … das bin ich.« Simon schwang die Beine von der Bank. Er fühlte sich unglaublich schwach. »Wir Magi glauben an Ormuzd. Ahriman, sein Widersacher, wird vertreten durch Alexander.«
»Aber Ahriman ist doch nur die Kehrseite eurer einen Gottheit, oder?« sagte Simon. »Ein wenig kenne ich mich in eurer Religion aus … Sie scheint schlichter und reiner zu sein als andere. Ihr betet das Feuer, die Sonne und das Licht an … ohne
allzu großes Gewicht auf Zeremonien zu legen.«
»Richtig. Ein in der Seele zufriedener Mensch kommt mit
wenig Ritualen aus.«
Simon stellte diese Ansicht zufrieden.
»Wir würden uns freuen, wenn du dich uns, den Magi, zugesellen könntest«, sagte Abaris mit leiser Stimme. »Dir wäre dafür unser bestmöglicher Schutz vor Alexanders Häschern angeboten.«
»Ich möchte nicht undankbar erscheinen … aber wie ich schon sagte, ich verlasse mich lieber auf meinen eigenen Scharfsinn. Der wird mich vor den mazedonischen Soldaten schützen.«
»Wir sprachen von seinen überirdischen Häschern.«
Simon schüttelte den Kopf. »Ich respektiere euren Glauben … aber ich kann ihn nicht annehmen.«
Abaris beugte sich nach vorn und sagte flehentlich: »Simon, du mußt uns helfen. Alexander und seine Mutter sind
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